für die Menschen in Bonn, Rhein-Sieg-Kreis und die Nachbarn an Rhein, Ahr und Erft

Politik & Verwaltung

Deutschland sitzt in der Komplexitätsfalle: Das ist eine Kernanalyse des aktuellen Buches „NEUSTAAT“, an dem ich mit Abgeordneten-Kollegen und Experten als Co-Autorin beteiligt war.

Deutschland sitzt in der Komplexitätsfalle: Das ist eine der Kernanalysen des aktuellen Buches „NEUSTAAT“, an dem ich mit Abgeordnetenkollegen und Verwaltungsexperten als Co-Autorin beteiligt war. Diese Feststellung gilt leider für viele Bereiche, insbesondere aber auch für das Planen und Bauen. In NEUSTAAT liegt der Fokus in diesem Bereich auf dem digitalen Infrastrukturausbau, ein Bereich, der für die Modernisierung unseres Landes von besonderer Wichtigkeit ist. Das Problem zeigt sich aber auch beim Ausbau anderer Infrastrukturen, wie Eisenbahnstrecken, Stromtrassen und Flughäfen – und es besteht auch in ähnlicher Form beim Wohnungs- und Gewerbebau. Die Mitglieder des Bauausschusses des Bundestags erreichen immer wieder Berichte von kaum fassbaren Verzögerungen und Kostenexplosionen bei Bauwerken aller Art. Das Phänomen ist also durchaus nicht auf die „berühmten“ Fälle Flughafen BER, Bahnhof Stuttgart 21 oder Elbphilharmonie beschränkt.

Wenn man genauer nachforscht, treten fast immer Probleme zutage, die in NEUSTAAT mit dem Begriff Komplexitätsfalle durchaus treffend umschrieben sind. Deutschland ist zu bürokratisch, zu starr und zu langsam. Nun ist diese Analyse nicht neu und es hat, gerade im Bereich Infrastrukturplanung, auch durchaus schon wesentliche Verbesserungen in den letzten Jahren gegeben. Aktuell ist gerade das Investitionsbeschleunigungsgesetz in der Bearbeitung. Aber im Ergebnis muss man feststellen, dass der Knoten offenbar noch nicht richtig geplatzt ist. Das hat verschiedene Gründe, insbesondere aber auch, dass „immer die anderen Schuld“ sind. Die Auftraggeber schieben es auf die Planer, da wird es auf die Bauverwaltung geschoben, von dort auf die Bürgerbeteiligung, die verweisen auf die Gerichte und am Ende sollen meistens die Baufirmen schuld sein. Ziel von NEUSTAAT ist es, sich an die eigene Nase zu fassen. Als Abgeordnete geht es uns in dem Buch deshalb darum, was wir im Bereich Politik und Verwaltung drastisch verbessern können, um der Komplexitätsfalle zu entkommen und unser Land auf die Zukunft vorzubereiten.

Im Bereich Planen und Bauen heißt es dann häufig, wir müssten „so schnell wie China“ werden. Um es ganz klar zu sagen: Nein das müssen wir nicht! Das können wir nicht einmal, denn dort wird unter Bedingungen gearbeitet, die bei uns aus vielerlei Gründen nicht umsetzbar sind und die wir auch nicht ernsthaft umsetzen wollen. Wir wollen weder auf demokratische Beteiligungsverfahren verzichten, noch wollen wir Arbeitsbedingungen wie in China. Aber wir müssen wesentlich schneller werden als heute, damit unsere Infrastrukturen, unsere Industriebauten und unser Wohnungsmarkt mit der sich immer schneller wandelnden Welt Schritt halten können. NEUSTAAT identifiziert dafür drei Schlüsselbereiche aus Politik und Verwaltung, deren Probleme als die „drei Schlaglöcher“ des schnelleren Planens und Bauens bezeichnet werden. Namentlich die Komplexe Bürgerbeteiligung, Planungsverfahren und Auftragsvergabe.

Die Bürgerbeteiligung hat sich zu einem Schreckgespenst, insbesondere des Infrastrukturausbaus, entwickelt. Grundgedanke der Bürgerbeteiligung war eigentlich, alle Interessen strukturiert einzubinden, damit am Ende der Kompromiss gefunden werden kann, mit dem alle mehr oder weniger gut leben können. Heute macht Bürgerbeteiligung häufig den Eindruck, dass es in erster Linie darum geht, etwas zu verhindern – oder wenigstens den überregionalen Infrastrukturausbau in den Bereich des Nachbarn zu verschieben. Im Englischen wird dieses Phänomen als „Nimby“ (not in my backyard) bezeichnet, auf Deutsch hört man den Begriff „Ohnemichels“. Bürgerbeteiligung führt heute oft nicht zu Kompromissfindung, sondern zu einer noch stärkeren Polarisierung. Unter diesem Eindruck geht dann leicht verloren, dass Bürgerbeteiligung im Grundsatz richtig und wichtig ist.

Wie kann sie also wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden? Unser Angebot aus dem Bereich Politik und Verwaltung wäre, Planverfahren so zu ändern, dass Bürgerbeteiligung früher stattfinden kann und mehr Personen eingebunden werden. Heute ist Bürgerbeteiligung häufig eine Veranstaltung für wenige, gut informierte und organisierte Personen. Das ist schon Demokratietheoretisch bedenklich, denn es sollen ja die Interessen von allen abgewogen werden – nicht nur die der gut Organisierten, die das vielleicht sogar professionell betreiben. Die frühere Bürgerbeteiligung setzt natürlich Beteiligungswillen voraus und muss deshalb attraktiv gestaltet werden. Es müssen mehr als in der Vergangenheit auch die Vorteile eines Projekts beleuchtet werden, nicht nur die Belastungen. Und wir müssen wieder dahin kommen, dass Gerichte die reine Rechtmäßigkeit prüfen und dass Ziele und Prioritäten von Projekten wieder stärker in den Parlamenten diskutiert und entschieden werden.

Bei den Planungsverfahren erleben wir heute, dass es häufig einfach nicht flüssig genug läuft und dadurch viel Zeit verloren geht. Das vergleichsweise Rekordtempo, mit dem im Augenblick eine Fabrik für Tesla nahe Berlin geplant und genehmigt wird, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies eine außergewöhnliche Kraftanstrengung, insbesondere der beteiligten Behörden, ist, die sich unter den gegebenen Bedingungen nicht beliebig wiederholen lässt. In NEUSTAAT machen wir unter dem Stichwort „Lernender Staat“ eine ganze Reihe von Vorschlägen, wie die Mitarbeiter der Verwaltungen wieder in die Lage versetzt werden können, flexibel und zügig als Partner der Planungs- und Bauunternehmen zu agieren und zu entscheiden. Und ja, ein ganz wichtiger Punkt ist dabei die Digitalisierung. Ein oft bemühtes Schlagwort, bei dem aber gerade im staatlichen Bereich häufig noch zu wenig passiert. Digitalisierung heißt auch nicht nur „Computer hinzustellen“, sondern die gesamten Bearbeitungs- und Entscheidungsprozesse müssen im Rahmen der Digitalisierung grundlegend modernisiert werden.

Bei der Auftragsvergabe geht es ebenfalls darum, dass der Staat ein zuverlässiger und berechenbarer Partner für die private Wirtschaft sein muss. Dafür müssen wir insbesondere zweierlei sicherstellen: Der Staat als Auftraggeber muss neuen Technologien gegenüber aufgeschlossen sein und sie bei eigenen Projekten geradezu einfordern, um die Risiken der Etablierung am Markt mit zu tragen. Das findet vielerorts schon statt, sollte aber weiter ausgebaut werden. Wir haben aktuell aber auch ein Kapazitätsproblem im Bereich Planen und Bauen. Die Unternehmen werden ihre Kapazitäten allerdings nur ausweiten, wenn diese dann absehbar auf längere Zeit auch ausgelastet werden können. NEUSTAAT fordert daher eine systematische Wirtschaftsförderung durch langfristige staatliche Auftragsvergaben. Das ließe sich beispielsweise durch Einkaufsgemeinschaften verschiedener staatlicher Auftragsgeber erreichen. Wir müssen von dem Hangeln von Projekt zu Projekt wegkommen und der Wirtschaft eine langfristige Perspektive bieten.

Die angesprochenen Themen aus dem Bereich Planen und Bauen sind nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was in NEUSTAAT behandelt wird. Unter der Überschrift „Politik und Staat müssen sich ändern“ wird eine wesentlich breitere Palette angesprochen. Das Buch ist ein Angebot zur Diskussion, kein fertiges Kochrezept. Nur eines ist nicht diskutabel: Es muss Änderungen geben, damit Deutschland im 21. Jahrhundert mit einer sich rasant ändernden Welt Schritt halten kann.

29 Bundestagsabgeordnete und 35 Experten haben ihre Vorschläge formuliert in: NEUSTAAT, erschienen 2020 im Finanzbuch-Verlag, 24,99€

Dieses Papier soll der regionalen Politik und Verwaltung mittel- und langfristig als Orientierung dienen, wie eine wirtschaftsfreundliche Politik aus Sicht der Unternehmen sein sollte

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg hat am 6. 8. 2020 ihre Wirtschaftspolitischen Positionen zu den Kommunalwahlen im September 2020 präsentiert. „Dieses Papier soll der regionalen Politik und Verwaltung mittel- und langfristig als Orientierung dienen, wie eine wirtschaftsfreundliche Politik aus Sicht der Unternehmen gestaltet sein sollte und an welchen Stellen die Unternehmen besonderen Handlungsdruck sehen“, sagte IHK-Präsident Stefan Hagen. Die Wirtschaftspolitischen Positionen greifen zugleich Corona-spezifische Aspekte auf. Sie teilen sich in einen themenspezifischen Teil (z. B. Mobilität und Verkehr, Gewerbeflächen und Ansiedlungen, Digitalisierung, Fachkräfte, Arbeitsmarkt und Bildung oder Energie, Umwelt und Klimaschutz) sowie einen kommunalpolitischen Teil auf, der auf die Bundesstadt Bonn, den Rhein-Sieg-Kreis und die 19 Kommunen des Rhein-Sieg-Kreises gesondert eingeht.

Hagen: „Corona stellt die Unternehmen in der Region, aber auch Politik und Verwaltung vor enorme Herausforderungen. So ist der IHK-Geschäftsklimaindex auf einen absoluten Tiefststand seit der Erhebung dieser Daten gesunken, wobei es erst langsam wieder etwas aufwärts geht. Die Politik ist aber nun gefordert, durch Investitionen in Infrastruktur, Bildung, Innovation und Digitalisierung die Wirtschaft weiter zu beleben. Steuererhöhungen wären in dieser Situation Gift. Zugleich muss aber die kommunale Handlungsfähigkeit durch einen finanziellen Lastenausgleich zwischen Bund, Land und Kommunen sichergestellt werden.“ Im Themenfeld Verkehr und Mobilität setze die IHK auf den Ausbau der Infrastruktur bei Bus und Bahn, aber auch dem Fahrrad. „Das allein“ – so Hagen – „reicht aber nicht aus, um die Mobilität in unserer Wachstumsregion zu sichern. Bezüglich der Straße ist insbesondere eine Stärkung der Ost-West-Verbindungen notwendig – es müssen weitere Straßen (aus)gebaut werden.“ Der IHK-Präsident erwähnte dabei wichtige Verkehrsprojekte aus Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis im Bundesverkehrswegeplan wie Venusbergtunnel und Ennertaufstieg (Südtangente) oder die Rheinspange A 553.

IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Hubertus Hille sprach sich den Ausbau von Smart-City Bonn aus. Die Digitalisierung müsse in der öffentlichen Verwaltung allgemein und in der Wirtschaftsförderung im Besonderen in Richtung E-Government vorangetrieben werden. Hille: „Der Ausbau und die Pflege einer leistungsfähigen und zukunftsfähigen Infrastruktur müssen im Mittelpunkt der politischen Bemühungen stehen. Außer der flächendeckenden Verfügbarkeit von Breitbandanschlüssen – vor allem in Gewerbegebieten – sind hier ein starkes WLAN im öffentlichen Raum, eine regional flächendeckende Coworking-Infrastruktur sowie die Förderung der Aus- und Weiterbildung entsprechender Fachkräfte zu nennen.“ Impulse erwartet die IHK von einer weiteren Vernetzung vom Digital Hub Region Bonn und dem Cyber Security Cluster Bonn mit der Vision, die Region zu einem der führenden und aktiven Ökosysteme für digitale Unternehmen und Aktivitäten zum Thema Cyber Security in Deutschland und Europa auszubauen.

Um den Industriestandort Bonn/Rhein-Sieg zu stützen, spricht sich die IHK für die Sicherung der Gewerbeflächen, beschleunigte Genehmigungsverfahren und den Ausbau der Breitbandversorgung für die Industrie 4.0 aus. Angesichts der angespannten Lage auf dem Ausbildungsmarkt warb IHK-Präsident Hagen für die duale Ausbildung und die verstärkte Zusammenarbeit im Bündnis für Fachkräfte. Die digitale Infrastruktur in Schulen und Berufskollegs müsse ausgebaut werden. Die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft soll intensiviert werden, Ausgründungen gefördert und eine School of Entrepreneurship eingerichtet werden.

„Es bleiben viele Baustellen für Politik und Verwaltung in den nächsten Jahren. Gemeinsam haben diese Herausforderungen, dass sie sich nur durch eine verstärkte regionale Kooperation lösen lassen. Hier wird die IHK am Ball bleiben“, sagte IHK-Präsident Hagen.

https://www.ihk-bonn.de/fileadmin/dokumente/Downloads/Presse/Wirtschaftspolitische_Positionen_2020.pdf

Als große Themenfelder sind definiert: Arbeits- und Ausbildungsmarktpolitik, Verkehrspolitik, Klimaschutz und Energiepolitik, Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung sowie Digitale Dienstleistungsangebote (Smart City Bonn).

Mit vier Unterschriften besiegelten am Freitag, 16. Juni 2020, der Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan, Wirtschaftsförderin Victoria Appelbe, Handwerkskammer-Präsident Hans Peter Wollseifer sowie Garrelt Duin, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln, die „Gemeinsame Initiative zur Förderung des Mittelstandes“. Mit dieser Vereinbarung sollen die Belange von kleinen und mittleren Unternehmen seitens der Stadt Bonn besonders in den Blick genommen und gute Rahmenbedingungen geschaffen werden.

„Das Handwerk bildet mit seiner klein- und mittelbetrieblichen Struktur eine äußerst wichtige Säule unserer lokalen Wirtschaft ab“, betont der Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan. Die mehr als 2.400 eingetragenen Betriebe in Bonn erwirtschaften einen Jahresumsatz von rund 1,6 Milliarden Euro. „Darüber hinaus leistet das Handwerk  eine Schlüsselfunktion für den Arbeitsmarkt, bietet rund 15.000 Menschen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und gewinnt mit aktuell 1.257 Lehrlingen seinen Fachkräftenachwuchs aus der eigenen Ausbildung“, so Sridharan weiter. 

Handwerkskammer-Präsident Hans Peter Wollseifer

„Mit der Unterzeichnung der „Mittelstandsvereinbarung“ wollen wir ein Zeichen setzten. Die Zusammenarbeit zwischen Handwerksorganisationen vor Ort, Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung eröffnet Chancen, die Standortfaktoren für unsere Betriebe und damit die Standortqualität zu optimieren.  Dabei legen wir den Fokus der Vereinbarung auf die derzeit relevanten Themen wie Fachkräfte, Verkehr, Klimaschutz und Energie“, so Hans Peter Wollseifer, Präsident der Handwerkskammer zu Köln. „Ein weiteres bedeutsames und zukunftsorientiertes Themengebiet ist die Digitalisierung. Sie verstehen wir zugleich als zentrales und interdisziplinäres Instrument, um die notwendigen Anpassungen auf den Weg zu bringen und zum Erfolg zu führen. Neben qualitativen Leitplanken bietet die Vereinbarung auch konkrete Handlungsmaßstäbe, z. B. bei Auftragsvergaben, Baugenehmigungsverfahren und bei Zahlungszielen. Beschränkte Ausschreibungen bis 250.000 Euro, spätestens in drei bis sechs Monaten erteilte Baugenehmigungen und in 30 Arbeitstagen seitens der Stadt beglichene Handwerkerrechnungen, das sind aus Sicht der Stadt sicher hoch gesetzte Ziele. Sie dienen aber der regionalen Wertschöpfung und schaffen für unsere Betriebe mehr Planungssicherheit und Liquidität.“ 

Mittelstandsinitiative definiert fünf Themenfelder

Garrelt Duin, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln, ergänzt: „Die Gemeinsame Initiative zur Förderung des Mittelstandes der Handwerkskammer zu Köln und der Stadt Bonn setzt den politischen Rahmen für eine noch engere Zusammenarbeit zwischen der Handwerkskammer zu Köln und der Bundesstadt Bonn im Sinne der Handwerksbetriebe in der Region Bonn/Rhein-Sieg. Sie ist ein Benchmark-Instrument für das Zusammenwirken der regionalen Handwerkswirtschaft und der Kommunalverwaltung. An ihr müssen wir unsere Aktivitäten in den nächsten Jahren ausrichten und die Fortschritte messen. Wir sind schon lange auf dem Spielfeld – jetzt haben wir eine Strategie, um in einem guten Spiel auch Tore zu schießen.“

In der Mittelstandsinitiative sind fünf große Themenfelder definiert: Arbeits- und Ausbildungsmarktpolitik, Verkehrspolitik, Klimaschutz und Energiepolitik, Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung sowie Digitale Dienstleistungsangebote (Smart City Bonn). Themen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Gewinnung von Hochschulabsolventen für das Handwerk werden darin ebenso thematisiert, wie zum Beispiel die E-Mobilität im Handwerksbetrieb, Vergabepraxis oder die Förderung von Innovation und Technologietransfer.

„Wir verstehen uns als Wirtschaftsförderung als zuverlässiger und verbindlicher Ansprechpartner und Dienstleister für die Bonner Unternehmen“, betonte Victoria Appelbe, Wirtschaftsförderin der Stadt Bonn. „Die Mittelstandsvereinbarung unterstreicht diesen Anspruch nochmal – wir in Bonn haben immer ein offenes Ohr für die Anliegen, Sorgen und Wünsche des Handwerks“, sagte sie.

Das Handwerk in Bonn

Die Handwerkskammer zu Köln zählt in Bonn rund 2.400 Mitgliedsbetriebe. Die drei am stärksten vertretende Handwerksgruppen sind der Bau mit 566 Betrieben, gefolgt von Gesundheit und Körperpflege mit 531 Betrieben sowie Elektro/Metall mit 515 Betrieben. Die Bedeutung dieser Unternehmen für die Gesamtwirtschaft sowie den Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Bonn wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass diese Betriebe jährlich rund 1,6 Milliarden Euro erwirtschaften und 15.000 Menschen einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz bieten, davon allein gut 1.200 in Form eines Ausbildungsplatzes.

Foto Copyright Barbara Frommann/Bundessstadt Bonn

Text der Vereinbarung steht im Download-Bereich zur Verfügung

Es wird in vielen Politikfeldern Veränderungen geben. Ich bin der festen Überzeugung, dass Bonn so gut aufgestellt ist, diese Herausforderungen auch zu meistern.

Noch liegen die Einschränkungen durch die Corona-Krise nicht vollständig hinter uns. Aber bereits jetzt wird deutlich, dass sich Bonn so wie alle Kommunen einer ganzen Reihe von Herausforderungen wird stellen müssen, die durch die Corona-Krise verursacht worden sind.

Man wird in den nächsten Monaten einen Kassensturz machen müssen, um einen Überblick über die Corona-bedingten Verluste im Haushalt und die durch die Corona-Krise verursachten Mehrausgaben zu bekommen. Dabei handelt es sich beispielsweise um Einbußen bei der Gewerbesteuer, um Mindereinnahmen bei Kita- und OGS-Gebühren, um fehlende Einnahmen bei den städtischen Tochterunternehmen durch leere Busse und Bahnen sowie leere Parkhäuser und Tiefgaragen. Aber auch um Ausgaben zum Schutz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Bereichen der Verwaltung mit Publikumsverkehr oder die Einrichtung und der Betrieb eines Diagnostikzentrums.

Die Corona-bedingten Haushaltsbelastungen der Kommunen werden durch den Bund und das Land weitestgehend ausgeglichen. Auch der Wirtschaft wird durch das Konjunkturpaket des Bundes und das Konjunkturpaket NRW unter die Arme gegriffen. Dies entbindet die Kommunen und damit auch Bonn nicht davon, seinerseits Möglichkeiten zur Entlastung der Wirtschaft zu prüfen. Ich denke da an Entbürokratisierungen von Verwaltungsvorgängen und der Überprüfung von Gebühren und Steuersätzen.

Es wird aber auch Veränderungen in der Nach-Corona-Zeit in den klassischen kommunalen Bereichen geben. Wir werden sehen, welche Veränderungen sich z.B. im Verkehrsbereich bei den Pendlern ergeben. Viele Arbeitnehmer konnten während der vergangenen Monate im home-office zu Hause arbeiten. Von denen, die das nicht konnten, haben viele für den Weg zum Arbeitsplatz vom ÖPNV zum eigenen Fahrzeug gewechselt, weil sie direkten Kontakten zu anderen Menschen  in den öffentlichen Verkehrsmitteln ausweichen wollten. Werden die Genannten zukünftig wieder zurück zum ÖPNV wechseln oder wird ein Teil zusätzlich die tägliche Lawine von Pendlern verstärken?

Die Corona-Zeit war für Viele ein Zeitraum der Besinnung auf nachhaltige Werte. Wird es gelingen, in diesem Zusammenhang eine größere Zahl von Pendlern zum erstmaligen Umstieg vom eigenen PKW auf den ÖPNV zu bewegen?

Die Corona-Zeit hat in Deutschland offensichtlich einen Digitalisierungsschub in Gang gesetzt. Wird es Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt geben, die ein bisher nicht gekanntes Maß von home-office-Arbeitsplätzen zur Folge hat? Wird diese Entwicklung so groß sein, dass sie merkbaren Einfluss auf den Umfang der täglichen Pendlerströme hat?

Dies sind nur die möglichen mittel- und langfristigen Auswirkungen im Verkehrsbereich. Es wird auch in vielen anderen klassischen Politikfeldern mittel- und langfristige Veränderungen in der Nach-Corona-Zeit geben. Diesen Herausforderungen wird sich Bonn nicht nur stellen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Bonn so gut aufgestellt ist, um diese Herausforderungen auch zu meistern.

Wir sollten jetzt weniger darüber reden, was Bund und Land für die Kommunen tun können, sondern darüber, was vor Ort selbst erledigt werden kann.

Die nordrhein-westfälischen Unternehmer haben die Kommunalwahlen am 13. September 2020 als ein „extrem wichtiges Datum für die weitere wirtschaftliche Entwicklung im Land“ bezeichnet. Der Präsident der Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen (unternehmer nrw), Arndt G. Kirchhoff, erklärte am Dienstag bei der Vorlage einer NRW-Regionalstudie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln in Düsseldorf, die Ergebnisse wiesen eindeutig auf die unmittelbare Wirkung kommunalpolitischer Entscheidungen auf Unternehmen und Beschäftigung hin. „Wir müssen in den nächsten Wochen und Monaten in jeder Gemeinde dieses Landes eine intensive wirtschaftspolitische Debatte über die Standortbedingungen vor Ort führen“, sagte Kirchhoff. Angesichts der dramatischen Auswirkungen der schweren Rezession sei in den Rat- und Kreishäusern dringender denn je ein neues Grundbewusstsein über die Bedeutung der Wirtschaft erforderlich. „Ich kann uns Wählern nur raten, allen Kandidaten wirtschaftspolitisch kräftig auf den Zahn zu fühlen“, betonte Kirchhoff.

Der NRW-Unternehmerpräsident forderte die Kommunalpolitik auf, „jetzt vor allem selbst die Ärmel aufzukrempeln, anzupacken und loszulegen statt zu viel nach Düsseldorf, Berlin oder Brüssel zu schielen“. Kluge Kommunalpolitik könne sehr wohl den Unterschied machen. Der IW-Studie zufolge lägen nicht selten Nachbargemeinden im Umkreis von zehn Kilometern sowohl in Niveau als auch in der Dynamik weit auseinander. Dies sei auch ein Ausweis unterschiedlicher Qualität von Kommunalpolitik. Auffällig sei, dass Gemeinden mit niedrigen Gewerbesteuerhebesätzen, guterWohnraumversorgung und überdurchschnittlicher 5G- und Breitbandversorgung bei Arbeitsplätzen, Kauf- und Wirtschaftskraft besonders gut abschneiden. Im bundesweiten Regionen-Vergleich falle das Zeugnis im Ergebnis allerdings noch nicht zufriedenstellend aus. „Wir haben in NRW unter dem Strich zu wenige Gemeinden auf den vorderen und zu viele auf den hinteren Plätzen. Da müssen wir noch besser werden – auch damit NRW als Ganzes weiter aufholen kann“, sagte Kirchhoff. 

Mit Blick auf die angespannte Finanz-Situation in den Gemeinden und Kreisen des Landes warnte Kirchhoff davor, den Kommunal-Wahlkampf jetzt nur auf die Frage zu verengen, ob das Land die Altschulden der Kommunen übernehme. Er begrüße, dass im Konjunkturpaket des Bundes weitreichende Hilfen für die Kommunen enthalten seien. Deren Wirkung auf die Lage der Gemeinden sollte aber nach der Krise zunächst genau analysiert und erst dann entschieden werden, wie weitere Maßnahmen aussehen müssten. „Wir sollten im Kommunal-Wahlkampf weniger darüber reden, was Bund und Land für Städte und Gemeinden tun können, sondern darüber sprechen, was vor Ort selbst erledigt werden kann“, erklärte Kirchhoff.

IW-Regionalstudie:

IW-Studie: Kommunalranking NRW 2020

Auszug: Regierungsbezirk Köln

Quelle: IW 2020

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Quelle IW 2020

Rationales Abwägen, neue Sachlichkeit und eine Rückkehr der Vernunft in Politik und Journalismus. Mehr wissenschaftliche und fachliche Politikberatung.

Ein bizarrer Winzling aus Eiweißmolekülen drängt sich in unsere durchorganisierte Welt. Er zettelt – einfach mal so – einen weltumspannenden Krieg an. Frontverlauf unklar. Die fragile Weltwirtschaft geht zu Klump. Er zerrüttet arrogantes Ich-Gefühl hochentwickelter Gesellschaften.

Das macht er völlig emotionslos. Er kennt ein paar biologische Tricks. Unter dem Radar von Fresszellen und Antikörpern sucht er sich einen „Wirt“. Der „Mensch“ als solcher interessiert ihn nicht. Humorlos, naiv, unschuldig nimmt er ihn in seinen Stoffwechsel auf. Verzweiflung, Trauer, Protest sind ihm schnuppe.

Doch dieses Virus beschert uns nicht nur Ängste. Corona macht vielleicht sogar die Rückkehr zu Maß und Mitte möglich: Politisch und medial bemerken wir eine neue Sachlichkeit und Fachlichkeit. Prä-Corona überwog inhaltsarmes populistisches Gequassel. Ein postfaktisches Zeitalter war bereits ausgerufen. Gefühl und Befindlichkeit überstimmten Verstand. Nun genießt Wissenschaft plötzlich gesellschaftliche Wertschätzung.

Zumindest bei denen, die nicht dumm geblieben oder dumm gemacht wurden. Man hört wieder „hin“, vielleicht sogar „auf“ die, die wissen, wovon sie sprechen.

Plötzlich gelten die Sachen und nicht die Ansichtssachen. Dem nüchternen Massenmörder kommt man nur durch Nüchternheit bei. Gesundheitssysteme, Krankenhäuser, Pflegedienste, eben noch Verhandlungsmasse bei der Gewinnoptimierung und am unteren Rand der Einkommenstabelle, erweisen sich als systemrelevant. Rationales Kalkül von Risiken ist wieder erfragt. Sachlichkeit ist erwünscht, weil man sich sachgerecht verhalten will.

Machen wir das Beste draus! Mindestens ein Update unserer Werteskala. Akzeptanz für Wissenschaft, Aufklärung und Rationalität können nachhaltiger Krisengewinn sein. Wissenschaftliche Politikberatung sollte wieder mehr als eingeübtes Ritual sein.

Etliche Medienleute reagieren darauf. Die erkennen es als probates Mittel gegen vulgären Populismus.

Einige Journalisten kommen jedoch aus ihrer Rolle nicht heraus. Mit unendlicher Geduld versuchen Virologen, Soziologen, Psychologen ihnen immer wieder neu zu erklären, was man weiß oder leider noch nicht. Nach anfänglicher Schüchternheit fallen einige Interviewer in eingelernten Jagdeifer zurück. Sie zeichnen Schuldige oder Wundertäter. Sie inszenieren Gladiatorenspiele. Virologen sollen den Star markieren und sehnen sich doch sichtlich ins Labor zurück. Politiker, die sich bis zur physischen Erschöpfung abrackern, sollen sich am späten Abend in einer Sprechshow noch genussfähig zanken oder verhören lassen, warum sie dieses nicht im Vorhinein gewusst und jenes nicht genau so gemacht haben, wie es die intentionale Moderation für richtig hält. Abwägen gilt als Schwäche, Zögern als Inkompetenz, Beißhemmung als Spielverderberei, Fachlichkeit als langweilig. Gute Journalisten haben allerdings schnell gemerkt: Die Mitte wünscht sich eine neue Sachlichkeit. Vielleicht stiftet Corona ein Joint Venture der verantworteten Vernunft zwischen Journalismus, Wissenschaft und Politik. Dann ginge man mal wieder aufeinander zu und nicht aufeinander los.

Erst geht es um die Sache und die Fakten, die argumentative Begründung der angestrebten Problemlösung und die vermittelnde Deutung, dann um die Maßnahme und natürlich auch die notwendige Kritik.

Eine Rückkehr der Vernunft – von Maß und Mitte – wünscht man sich indes auch für die notwendigen finanziellen Rettungsmaßnahmen: Gigantische Gelder werden gerade in die Welt gesetzt. Der Zukunftstransfer gewaltiger Rechnungen ist entfesselt. Unbestritten: Man muss sich realen Problemen stellen – nicht auf der langen Bank, sondern mit Kraft, kompetent und grenzüberschreitend solidarisch.

Weltweit fordern Politiker gerade soziale Distanz und – im gleichen Atemzug – soziale Umarmung. Die kollektive Duldung gewaltiger Ausgaben soll die Folgen des verordneten Stillstandes abfedern. Ein Spagat von nie dagewesenem Ausmaß soll Volksgesundheit und gesellschaftlichen Zusammenhalt retten. – Nebenbei Europa gegen dessen eigene Zerfallstendenzen.

Keine Frage: Das Virus hat uns den asymmetrischen Krieg erklärt. Die Notwehrmaßnahmen entsprechen der Not. Wer von der Corona-Krise existenziell gefährdet ist, soll Überbrückungshilfen erhalten. Das ist Konsens. Aber wo das Rettende wächst, wachsen auch die Gefahren.

„Schnelles Geld“? – das weckte sofort den „Abgreif-Reflex“- nicht nur im schlicht regierten Berlin. Es weckte notorische Gefährder des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Die heute verausgabten Steuergelder der Zukunft werden vorrangig diejenigen aufbringen, die gerade große Teile ihres Vermögens verlieren und noch verlieren werden.

Seit Gründung unserer Republik gilt bei uns die Logik des Ausgleichs. Die „starken Schultern“ tragen viel. Die vom Soli nicht Befreiten (10 Prozent) zahlen mehr als die Hälfte (54,8 Prozent – Quelle BMF) der Einkommenssteuer, haben aber weniger als ein Drittel am verfügbaren Einkommen. Beim Soli, den man den 10% nicht erlässt, weil sie eben „die Besserverdiener“ sind, standen und stehen sie für den Aufbau Ost ohnehin für 54,8 Prozent gerade. In wenigen Ländern funktioniert der Lastenausgleich so fair wie in Deutschland. Das haben sozial Gesonnene in beiden Volksparteien bewirkt. Es entwickelte sich zum gesellschaftlichen Grundkonsens. Unter der Voraussetzung: Es braucht Ausgleich und Zusammenhalt zwischen denen, die auf Transferleistungen angewiesen sind und jenen, die ein solches System bejahen und das nötige Geld erwirtschaften und die wertschöpfenden Strukturen aufbauen und pflegen. Dieser Zusammenhalt, dieser soziale Konsens ist zu schaffen und zu erhalten. Zusammenhalt zwischen gewährendem Politiker und nehmender Wählerschaft ist Obrigkeitstraum und nicht demokratische Kultur.

Alle deutschen Kanzler haben bisher diejenigen anerkannt und gewürdigt, die sich zum Sozialstaat bekennen und ihn durch ihre Arbeit wesentlich ausgestalten und finanzieren. Das Erfolgsgeheimnis der Bundesrepublik heißt nicht „Sozialismus“ und nicht „Marktwirtschaft“, sondern „Soziale Marktwirtschaft“. Wer Sozialpolitik braucht und wer sie finanziert, arbeitet in diesem System zusammen, nicht gegeneinander. Das politische Motto dazu heißt: „versöhnen statt spalten“. Es ist die Haltung pragmatischer Besonnenheit, nicht der Feuchttraum abgehobener Ideologen. Einer von denen verkündete über den Spiegel im Dezember letzten Jahres, die SPD solle nicht weiter danach streben, von allen gewählt zu werden. Die Partei solle sich … auf Menschen mit geringem Einkommen konzentrieren. Just diese wissen jedoch: Von nix kommt nix. Man muss erst erarbeiten, was man ausgeben will.

Sich auch auf diese Rationalität zu besinnen – kann auch Chance der Pandemie sein. Rationales Abwägen, neue Sachlichkeit und eine Rückkehr der Vernunft in Politik und Journalismus. Mehr wissenschaftliche und fachliche Politikberatung. Ein Journalismus, der nicht intentional antritt, sondern ein möglichst realistisches Bild unserer Welt vermittelt und der nicht nur nach der schnellen schlechten Nachricht sucht. Natürlich hat er Fehlentwicklungen zu enthüllen, aber auch eine Idee von der hilfreichen Lösung zu entwickeln. Das ist nicht alles, aber wäre das nichts?

Foto Copyright Brost-Stiftung

Nachdem es uns erst einmal gelungen ist, die Pandemie-Kurve abzuschwächen, sollten wir Medien nun dafür sorgen, verschiedene Akteur*innen wieder in den Dialog zu bringen.

Die Medien sind seit Ausbruch der Pandemie zu einem wichtigen Antreiber für gesellschaftliche Diskurse geworden. Sie können vorherrschende Stimmungen der Angst verstärken und so vom Berichterstatter zum Meinungsmacher werden. Sie können aber auch skandalträchtigen, rassistischen und diskriminierenden Behauptungen eine gut recherchierte Berichterstattung entgegensetzen.

Voraussetzung dafür ist, dass der Journalismus bereit ist, aus der Krise zu lernen: dass nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die Medien keine absolute Gewissheit haben. Der Journalismus nach Corona kann kein „Schnappatmungs“-Journalismus mehr sein, wie es der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen vor kurzem treffend formulierte. Also kein Journalismus, der reflexhaft wiedergibt und mitunter sogar von oben herab bewertet, was andere sagen.

Nachdem es uns offensichtlich erst einmal gelungen ist, die Pandemie-Kurve abzuschwächen, sollten wir Medien nun dafür sorgen, verschiedene Akteur*innen wieder in den Dialog zu bringen. Denn die Diversität der Stimmen ist in den ersten Wochen der Corona-Welle verloren gegangen. Natürlich schauen wir Journalist*innen mit unserer eigenen Brille auf die Wirklichkeit. Als Mutter einer zehnjährigen Tochter, die seit nunmehr zehn Wochen nicht mehr in der Schule war, fällt mir zum Beispiel gerade auf, dass in den Medien selten oder gar nicht von den Fünft- bis Achtklässlern in NRW die Rede ist, deren Präsenztage in den Klassenzimmern man bis zum Beginn der Sommerferien an einer Hand abzählen konnte. Warum nur hört man gerade so wenig von der Lebenswirklichkeit der älteren Kinder? Kennen wir die Gründe? Viel zu sehr hat sich bei uns Medien ein „Zwang zum Bescheidwissen“ (Pörksen) verbreitet; als wären Reporter so etwas wie auktoriale Alleswisser.

Das Bedürfnis nach Orientierung und Information ist gerade groß. Einzelverkäufe und Einschaltquoten sind in den vergangenen Wochen in der Medienbranche erfreulich gestiegen, obwohl es teilweise auch zu Kurzarbeit kam und Anzeigenerlöse eingebrochen sind. So massiv die Auswirkungen für einzelne Bereiche auch sein mögen – für den Journalismus ist Corona auch eine Chance, sich künftig wieder mehr den Sachfragen als dem Spektakel zu stellen und durchaus die eine oder andere Frage dabei offen zu lassen.

© Antje Allroggen

Die EU fördert in den Mitgliedstaaten Projekte und Programme. So kommen über 94% des EU-Haushalts den Menschen vor Ort zugute.

Im Rheinland sind zahlreiche europäische Akteure vertreten, darunter schon seit 1954 die Regionalvertretung der Europäischen Kommission in Bonn. Neben dem Hauptsitz in Berlin und einer Regionalvertretung in München ist die Bonner Vertretung zuständig für die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland. Sie ist Ansprechpartner für rund 30 Millionen und wird seit Juni 2016 von Jochen Pöttgen geleitet, einem gebürtigen Kölner.

Die Aufgaben der Regionalvertretung der Europäischen Kommission in Bonn

Die Hauptaufgabe der Vertretung in Bonn ist ihre Funktion als Bindeglied zwischen der Zentrale der Europäischen Kommission in Brüssel und der Öffentlichkeit an Rhein, Main, Mosel und Saar. Daher sucht sie den fortwährenden Dialog und Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit den Medien, der Öffentlichkeit und der Politik vor Ort.

Unterstützt wird die Vertretung bei dieser Aufgabe von einer Vielzahl von EUROPE DIRECT Informationszentren (EDIC), die dezentral und auch außerhalb der Metropolen über Fragen über die EU informieren, indem sie Informationsmaterial bereithalten oder Ansprechpartner vermitteln. Sie arbeiten eng mit der Europäischen Kommission zusammen und bieten zahlreiche Debatten- und Informationsangebote zur EU-Politik an.

Die Arbeit mit regionalen und lokalen Medien genießt hohe Priorität in Bonn. Die Idee und das Wirken der Europäischen Union werden durch proaktive Aktionen verbreitet, insbesondere Pressekonferenzen, Podiumsdiskussionen, Hintergrundgespräche und Beiträge auf sozialen Medien.

Der „Europa-Punkt“ in Bonn

Zur Unterstützung der Aufgaben der Bonner Regionalvertretung hat 2016 das neue Informationszentrum seine Pforten geöffnet. Der „Europa-Punkt“ am Bertha-von-Suttner Platz ist Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger, Schulen und Organisationen, die Fragen haben zu den Publikationen der Europäischen Kommission oder auch zur Funktionsweise der Europäischen Union. Besucher werden in den Räumlichkeiten der Vertretung in Seminaren, Workshops oder Vorträgen nach ihren individuellen Bedürfnissen betreut und mit Informationen versorgt.

Ausgewählte Themen werden im „Europa-Punkt“ für kleine und große Besuchergruppen vorbereitet, zum Beispiel als Vortrag, als interaktiver Workshop oder als Simulation.

Der „Europa-Punkt“ bietet weiterhin Schulmaterial für verschiedene Altersstufen an und vermittelt Kontakte zu geeigneten Ansprechpartnern auf regionaler und europäischer Ebene.

EU-Förderung im Rheinland

Die Europäische Union fördert in ihren 27 Mitgliedstaaten Projekten und Programme, zum Beispiel für Forschung, Innovation und Lehre. So kommen über 94% des EU-Haushalts den Menschen vor Ort zugute, sie fließen aus Brüssel zurück in die Regionen, Kommunen und Unternehmen in der Europäischen Union.

Die Auswahl der Projekte und die Kontrolle über die zielgenaue Verwendung der Mittel liegt in Deutschland in der Regel bei den Bundesländern.

Über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung unterstützt die EU die wirtschaftliche Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen, sie fördert  die Wettbewerbsfähigkeit, das Wirtschaftswachstum und nachhaltige Entwicklung. EU-Förderung unterliegt dem Prinzip der Ko-Finanzierung, d.h. die Mittel der EU werden mit Bundes-, Landes- oder Kommunalmitteln gegenfinanziert.

Darüber hinaus unterstützt die EU mit der Förderung des weltweit größten Forschungsprogramms „Horizont 2020“, dessen EU-weites Budget bis 2020 bei ca. 80 Mrd. liegt, Wissenschaft und Innovation. Mithilfe dieses Budgets werden Forschungsinitiativen in den EU-Mitgliedstaaten gefördert und Ressourcen effizient gebündelt. Im vergangenen Forschungsrahmenprogramm nahmen in Deutschland 16.500 Forscher an 8.000 EU-Projekten teil und erhielten eine Förderung von 6,4 Mrd. Euro. Damit lag Deutschland weit vorn. Das Rheinland war unter anderem mit Köln vertreten, mit dem sehr erfolgreichen Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Das EU-Mobilitätsprogramm Erasmus+ eröffnet auch rund um Bonn vielen Studierenden und Auszubildenden die Möglichkeit mithilfe eines Stipendiums in einem anderen europäischen Land zu studieren. So konnten 2015/2016 fast 2.000 junge Menschen aus Rheinland-Pfalz und über 7.000 aus Nordrhein-Westfalen ins EU-Ausland gehen während fast 5.000 junge Menschen zum Studium an Rhein und Mosel kamen.

Fokus Mittelstand, Pivate und kommunale Bauvorhaben beschleunigen, Bonn laut PROGNOS in vergleichsweise guter Ausgangsposition

„Meinung, Beurteilung, Entscheidung“, das ist der ursprüngliche Sinn des Wortes Krise, deren heutige Bedeutung deutlich negativer schwingt. Wir verbinden in Zeiten von Corona Unsicherheit, Sorge, Angst und wirtschaftliche Existenznöte mit diesem krisenhaften Geschehen.

Mit dem pandemiebedingten Erfordernis raschen Handelns war die Stunde der Exekutive geboren.

In beeindruckender Einsicht und Folgsamkeit hielt sich die Bevölkerung bis auf wenige Ausnahmen an das Gebot der Stunde, obwohl es Existenzen kosten und die Wirtschaft in einen noch unabsehbaren Abwärtssog ziehen würde.

Die beschränkte Öffnungsentscheidung von Bund und Ländern vor allem für den Einzelhandel zum 19. April, die naturgemäß so manche Erwartung auf den status quo ante enttäuschen musste, hat die Selbstheilungskräfte einer Demokratie wiederbelebt, wenn um die Sinnhaftigkeit, die Details sowie die praktische Umsetzung fortbestehender Beschränkungen gerungen wird. Die Forderung nach wirtschaftlicher Sauerstoffzufuhr ist weniger Öffnungsdiskussionsorgie als erstes Luftschnappen nach eingebüßter Freiheit, wenngleich unter dem Gebot des Maßhaltens angesichts einer längst nicht überwundenen Pandemie.

Fokus Mittelstand

Auch wenn der Sturm also keinesfalls vorüber ist, ist es an der Zeit, die Auswirkungen dieser Pandemie auf den Motor unseres Landes, die Wirtschaft zu betrachten und den Fokus darauf zu legen, wie die Politik, wie die öffentliche Hand und wie jeder Einzelne die Folgen dieser Krise für die Wirtschaft abmildern kann. Dabei ist der Fokus auf den Mittelstand zu legen, der weiterhin Herzmuskel der deutschen Wirtschaft ist. Er stellt 90 % aller Unternehmen, beschäftigt 58 % aller Erwerbstätigen und erwirtschaftet 52 % unseres BIP. Es lohnt sich, für diesen Motor des Landes einzutreten und ihn vor ideologiebelasteten Anwürfen zu schützen. Schon prüft der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages unter dem Aktenzeichen WD 4-3000 – 041/20 die Verfassungsmäßigkeit der Erhebung einer Vermögensabgabe zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona – Pandemie. Eilig befeuert die Linke die Debatte, die den Genossen der SPD sowie den Grünen ein rosiges Lächeln auf die Wangen treiben dürfte, arbeiten diese auf Schubladenebene doch schon lange an dem Gedanken. Da scheint Corona gerade recht zu kommen.

Mittelstand schon vor der Krise im globalen Wettbewerb behindert

Häufig aber lässt der Pawlowsche Reflex auf Geldströme sogenannter reicher Menschen vergessen, dass die Lage des Mittelstandes bereits vor dem jüngsten epidemiologischen Geschehen schon nicht mehr rosig war.

In einer Studie des ZEW zur Attraktivität Deutschlands für Familienunternehmen rutschte Deutschland aufgrund von hohen Arbeitskosten, hohen Steuern, niedrigen Bildungsausgaben, hohen Strompreisen und einer mittelmäßigen Digitalisierung von Platz 7 im Jahr 2014 auf Platz 16 von 21 im Jahr 2018. Ähnlich durchgereicht wurde Deutschland im „Doing-Business-Index“ der Weltbank. Auf Steuern und Abgaben entfallen durchschnittlich 37,5 % der Wirtschaftsleistung – und das trotz bislang sinkender Arbeitslosigkeit-, der IWF mahnt zu mehr Netto vom Brutto. In der vergangenen OECD-Studie „Taxing Wages“ liegt Deutschland mit 49,5 % Steuern und Abgaben hinter Belgien an Platz 2 aller Industriestaaten im Hinblick auf Alleinverdiener.

Der Spitzensteuersatz wird bereits ab dem 1,4 fachen des Durchschnittsverdienstes erreicht, und das, obwohl laut Schätzungen des Bundesfinanzministeriums vor der Pandemie die Steuereinnahmen von aktuell 700 Mrd. € im Jahr 2023 auf etwa 800 Mrd. € steigen sollten.

Auf diese Ausgangslage traf eine Pandemie mit voller Wucht, die bislang nicht für möglich gehaltene Maßnahmen auf der Basis des Infektionsschutzes binnen Tagen nach sich zog. Die Geschäfte in Bonn schlossen mit wenigen Ausnahmen, in den Supermärkten hinterließen Hamsterkäufe leere Regale, Produktionsketten wurden u.a. transportbedingt unterbrochen oder stark eingeschränkt, in vielen Wirtschaftszweigen Homeoffice oder Kurzarbeit angeordnet und gut 50.000 Bonner Schüler und 35.000 Bonner Studenten auf Eigeninitiative verlegt.

Viele Menschen, Arbeitnehmer, Unternehmen, Handwerker, Architekten machen sich angesichts der aktuellen Lage berechtigt Sorgen um ihre Zukunft. Was wir brauchen ist eine Perspektive, wie es kurz- bis mittelfristig weitergehen könnte.

PROGNOS: „Auswirkungen des Lockdown auf die regionale Wirtschaft“

Die Prognos AG, ein Wirtschaftsforschungsunternehmen mit 150 Experten und Ausgangspunkt in Basel, die nach eigenen Angaben seit 60 Jahren private Unternehmensverbände, Stiftungen und öffentliche Auftraggeber in Fragen der Zukunftsstrategie unterstützt, hat jüngst eine Studie zu den „Auswirkungen des Lockdown auf die regionale Wirtschaft“ publiziert,

https://www.prognos.com/presse/news/detailansicht/1931/7191bb33fdbdd1d3fdcf799f77ee0846/ Sie untersucht, wie stark Branchen, Bundesländer und Regionen in Deutschland vom aktuellen wirtschaftlichen Ausnahmezustand betroffen sind, wie sehr bspw. Auftragseingänge zurückgehen, Kurzarbeit oder andere Hilfsmaßnahmen beantragt werden, die Tätigkeit reduziert oder eingestellt wird, Arbeitskräfte krankheitsbedingt oder aufgrund der Beschränkungen fehlen und Liefer- sowie Wertschöpfungsketten den üblichen Geschäftsbetrieb einschränken.

Besonders betroffen sind mit 7,5 Millionen Beschäftigten, also 22 % aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer laut dieser Studie die Hersteller von Vorleistungen insbesondere im Bereich Chemie und Kunststoffe, der Metall – und Elektroindustrie sowie der Stahlindustrie, Kultur – und Kreativwirtschaft sowie Tourismus und Gastgewerbe. Aber auch die Land – und Forstwirtschaft samt Fischerei, die Herstellung häuslich konsumierter Güter wie Lebensmittel, Getränke, Textil, Bekleidung, Pharma, der Handel, die Logistik sowie sonstige und unternehmensnahe Dienstleistungen seien mit 13 Millionen sozialversichungspflichtig Beschäftigten (also 38 %) mittelschwer betroffen. Mit durchschnittlich 61 % aller Beschäftigten, die entweder mittel oder stark beeinträchtigt sind, liegt Nordrhein-Westfalen im Mittelfeld der Bundesländer.

Bonn unterdurchschnittlich betroffen

Aufgrund der geringen Industrielastigkeit profitiert Bonn deutlich positiv von seiner hohen Beschäftigtenzahl in den Bereichen Gesundheit, Verwaltung, Bildung und sonstige Dienstleistungen. Der Wert der mittel bis hoch betroffenen Beschäftigten liegt bei unter 50 % und damit weit unter dem bundesweiten Durchschnitt.

Und dennoch ist dies wahrlich kein Grund, sich zurückzulehnen. Die Bonner Familienunternehmen ächzen unter der Last der vergangenen Schließungen, bei zahlreichen Familienunternehmen ist die Unternehmenstätigkeit stark gesunken oder ruht, während die Ausgaben weiterlaufen.

Was können wir in Bonn tun?

Ein Grund, sich Ohnmachtsgefühlen hinzugeben? Keinesfalls! Jede noch so kleine Stellschraube kann und sollte bewegt werden, um die getroffenen Maßnahmen abzumildern.

Schnellere Baugenehmigungen für private Bauherren

So böte es sich an, der Bonner Bauwirtschaft das schnellere Abarbeiten der Bonner Baustellen anzubieten. Das bedingte ein gesteigertes Engagement des Bauamtes zur beschleunigten Erteilung entsprechender Genehmigungen für private Investoren. Wir alle wissen, dass der Output der Bonner Verwaltung diesbezüglich dezent gesagtsteigerungsfähig ist.

Kommunale Bauvorhaben beschleunigen

Bei den eigenen Bauvorhaben der Stadt könnte ein Hauptaugenmerk auf weitere Schulsanierungen gelegt werden, die dringend notwendig sind. Der für mehrere Monate zu erwartende zumindest eingeschränkte Schulbetrieb sowie die anstehenden Sommerferien laden geradezu dazu ein, sich den bestehenden Gebäudemängeln anzunehmen. Auch könnten geplante städtische Sanierungen und Renovierungen anderer Gebäude im Rahmen des Möglichen vorgezogen werden. Denkverbote wie jenes der Wochenendarbeit könnten aufgelöst und Betriebe dazu angeregt werden, in Schichten 7 Tage zu arbeiten. Die entstehenden Mehrkosten dürften sich – verglichen jedenfalls mit den volkswirtschaftlichen Kosten einer steigenden Arbeitslosigkeit – in einem überschaubaren Rahmen halten. Auf Bundesebene sollte zudem darauf hingewirkt werden, die aktuellen europaweiten Ausschreibungsregeln befristetzu lockern, um regionale Handwerksunternehmen rasch zum Zuge kommen zu lassen.

Hotels für Handwerker offen halten

Mitarbeitern von Gewerken, die aus Entfernung anreisen, könnten von der Stadtsubventionierte vergünstigte Hotelübernachtungen angeboten werden. Dies wäre ein zwar kleiner aber zumindest gutwilliger Ausgleich für die nicht erfolgte Schließungsanordnung von Hotels im Bonner Raum, die den Weg zu Entschädigungen für Hoteliers eröffnet hätte. Jene Hotels bleiben derzeit geöffnet und schreiben aufgrund der nur geringen Auslastung aber hohen (Personal-)kosten täglich rote Zahlen.

Vorübergehender Verzicht auf Parkgebühren in den Innenstädten

Um die Innenstadt maßvoll zu beleben, könnte vorübergehend auf das Erheben von Parkgebühren verzichtet werden. Auch dieser finanzielle Ausfall dürfte sich angesichts der aktuell kaum frequentierten Parkhäuser in Grenzen halten, wäre aber ein mehr als symbolischer Anreiz.

Gutscheine für ÖPNV bei Einkauf in den Innenstädten

Hiesige Einzelhändler könnten zudem städtische Freifahrtscheine für den ÖPNV ausgeben. Wer nicht Online kauft, sondern die Bonner Wirtschaft unterstützt, erhält einen Vorteil und tut zugleich etwas für die Umwelt, so könnte die Botschaft lauten.

Dies sind nur einige wenige der in Betracht kommenden und spontan eruierten Hilfsmaßnahmen. Viele weitere sind denkbar, wenn man den Fokus der Anstrengungen darauf legt. Sicher wird es gegen jeden der Vorschläge auch berechtigte Einwände geben, seien es der Verwaltungsaufwand, die Zuständigkeit, finanzielle Erwägungen. Aber sollten diese eingeübten Reflexe nicht allein aufgrund der außergewöhnlichen Situation, in der wir uns befinden, überdacht werden? Die Bevölkerung ist bereit zum Handeln; sie wartet auf Zeichen und Impulse.

Noch mehr Geld bringt nichts. Helfen Sie Messebau und anderen Unternehmen durch praktikable Auflagen wie in anderen Sektoren. Nicht ab sofort, aber ab August!

Bei uns bangen über 44 Angestellte und deren Familien um die Zukunft Ihres Arbeitsplatzes und um die Zukunft des Unternehmens.

Mit der Regierungserklärung des Bundes vom 15.04.2020 kommen allerdings neue Fragen, Ängste und auch Unverständnis auf. Ich kann erkennen, als Unternehmer, dass viele positive Dinge seitens der Regierung umgesetzt und angestoßen wurden. Kurz benennen möchte ich hier das KUG, der Landeszuschuss über 25.000 Euro und auch die Einräumung eines KFW-Darlehens. Das alles ist gutes Geld dem schlechtem hinterher geworfen, wenn die Regierungserklärung vom 15.04. Bestand hat.

Aufgrund welcher Informationsbasis werden alle Veranstaltungen bis 31.08.2020 abgesagt? Fragwürdig ist das Verbot aller „Großveranstaltungen“ ab 1.000 Teilnehmern. Großveranstaltungen sind nach rechtlicher Definition 5.000 Teilnehmer punktuell oder 100.000 Teilnehmer und mehr auf einen Zeitraum gesehen. 1.000 Teilnehmer sind keine Großveranstaltung.

Aus Unsicherheit und Angst sagen unsere Kunden jetzt Buchungen für Promotion-Einsätze bis Ende Juli ab, obwohl hier maximal 30 Personen am Tag geschult werden.

März bis Ende August bedeutet für unsere Branche ein Arbeitsverbot von 6 Monaten! Und was ist im September? Habe ich überhaupt noch Kunden, die im September auf eine Messe gehen können, oder sind diese Kunden inzwischen auch nicht mehr zahlungsfähig? Warum ist es richtig, einen Ärztekongresses mit 20 Industrieausstellern und 6.000 Teilnehmern an 4 Tagen völlig abzusagen, aber ein Café, Shop oder Friseursalon öffnet nach 4 Wochen mit wenigen, berechtigten Auflagen für Abstand und Hygiene.

Für mein Rechtsempfinden gibt es hier eine Ungleichbehandlung oder hat die Regierung absichtlich entschieden, wir sichern lieber 19 Friseursalons  mit 3 Mio Umsatz und ca. 40 Arbeitnehmern (Beispiel in Meckenheim) –  und 1 mittelständisches Unternehmen mit 44 Arbeitnehmern, über 5 Mio Umsatz und einem Arbeitsverbot von über 6 Monaten fällt durch das Raster?

Warum wird von Unternehmen verlangt, über 4 Monate im Voraus alles zu stornieren, was Menschen ansammelt?

Wir reden hier nicht von Fans und Zuschauern in Sport-Stadien. Das zähle ich zum Luxusgut in der heutigen Zeit, ein Spiel live im Stadion zu sehen. Aber Fußball kann man auch übertragen und als Geisterspiel durchführen. Zwar verliert die Branche Sport auch Millionen, verdient aber ein Grundeinkommen. Auch ich liebe den Basketball, aber wenn ich nicht in die Halle darf, dann akzeptiere ich das. Gern würde ich mir die Spiele dann digital ansehen.

Die Messebau- Kongressbranche jedoch hat noch nicht einmal ein Grundeinkommen. Was sind meine Optionen?

  • Schließe ich zum Stand heute das Unternehmen, begleiche die nächsten 7 Jahre meine Schulden über private Bürgschaften an der GmbH und mache was Neues? Ein Café evtl.? Dann weiß ich, wo ich stehe finanziell oder
  • trage ich weiter das Risiko und lasse mir im Juni dann über eine Pressemitteilung kommunizieren, bis Jahresende findet keine Messe mehr statt. Die Branche verdient in den Monaten Dezember, Januar, Februar und Juli kaum Geld. Die starken Monate sind uns jetzt schon beschnitten worden. Was kommt da noch?

Daher meine Bitte an den Bundes-Wirtschaftsminister und alle Verantwortlichen:

Helfen Sie dem Messebau wie anderen Unternehmen durch handlungsfähige Auflagen wie zum Beispiel:

  • Einlasskontrolle über vorherige Onlineanmeldung der Aussteller und Besucher
  • Desinfektionsständer an jedem Messestand
  • Abstand zum Gesprächspartner
  • Kein Shake-Hand
  • Weniger Aussteller in der Halle und damit mehr Freiräume
  • Von mir aus Gesichtsmasken

Und: lassen Sie ab August die Messen wieder arbeiten! Jeder Physiotherapeut, jeder Personaltrainer, jeder Ladenbesitzer steht näher am Kunden, als der Interessent eines Produktes am Messestand.

Nebenbei engagiere ich mich sehr im gemeinnützigen Bereich (CSR) und führe 1 x im Jahr eine Charity-Laufveranstaltung durch. 3.000 Teilnehmer laufen abends im Freien 10 km und spenden für einen guten Zweck. Selbst dieser Lauf wird jetzt schon verordnet, darf im August nicht mehr stattfinden. Das ist vollkommen unverständlich und womit ist das zu begründen?

Ich verfolge das Thema seit 29.02.2020 täglich und versuche alles, dieses Unternehmen, welches ich 30 Jahre lang aufgebaut habe, zu erhalten. Meine Mitarbeiter haben Vertrauen in mich und danken mir mit Worten, welches Engagement ich gegen Covid-19 lebe. Wir haben hier gemeinsam viel bewegt.

Diese Lage, Herr Altmaier und andere Verantwortliche, ist für uns nicht mehr zu ertragen!

Mit einem Brief an Minister Altmaier habe ich für mein Messebauunternehmen Soforthilfe in praktischer Unterstützung beantragt. Öffnen Sie den Sektor Kongresse und Messen mit praktikablen Auflagen, habe ich gefordert. Wir brauchen unternehmerische Perspektiven.

Noch mehr Geld bringt uns nichts mehr, denn ich glaube nicht, dass die Rücklagen der Regierung so hoch sind, jedem Messebauunternehmen einen Zuschuss im 6-stelligen Bereich rückzahlungsfrei zur Verfügung zu stellen. Um Darlehen zu tilgen, brauche ich Aufträge , die ich durchführen kann. Nicht jetzt und hier, aber ab August 2020!