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12. Januar 2022

Die Autorin stellt Bootshäuser von Rudervereinen in Deutschland ausführlich mit Fotos, Architekten, Raumprogramm vor, skizziert die Vereine und ihre Geschichte.

Herausgegeben von Helmut Griep, erschienen im Michael Imhof Verlag, September 2021, Preis 29,95 €

Die Autorin stellt in dem Buch Bootshäuser von Rudervereinen in Deutschland ausführlich mit Fotos, Architekten, Raumprogramm, Zustand des Hauses vor, skizziert die Vereine und ihre Geschichte.

Herausgegeben und gewidmet ist der Band Helmut Griep, Ehrenvorsitzender und ehemaliger Vorsitzender des Deutschen Ruderverbandes, der Anfang 2021, vor dem Erscheinungsdatum, verstarb. In seinem Geleitwort schreibt er, die Idee zu dem Buch sei durch die Besuche in vielen Bootshäusern bei Regatten und Wanderfahrten entstanden. Ihm war dabei aufgefallen, dass viele der Häuser in bevorzugten Lagen beheimatet sind und oft von namhaften Architekten entworfen waren. Er hat es aus seiner „Privatschatulle“ und Spenden finanziert. Die Autorin war ihm vermittelt worden, weil sie ihre Diplomarbeit als Architektin über Sport-Bauten aus der vorletzten Jahrhundertwende geschrieben hat.

Mit ihren Kenntnissen aus der Architekturgeschichte beschreibt die Autorin ausführlich 52 Häuser aus der Bauzeit von 1883, dem Gründungsjahr des Deutschen Ruderverbandes, bis 1933. Damals hatte der DRV 574 Mitgliedsvereine, heute über 600, also kaum mehr. 1933 markiert somit das Ende der „Gründerzeit“ des Ruderns in Deutschland mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten und späteren Gleichschaltung vieler Vereine durch den „Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen“. Daneben werden noch 6 Bootshäuser in Polen beschrieben, die zu Deutschland in den früheren Reichsgrenzen gehörten. Weitere 39 Bootshäuser, sind steckbriefartig knapp geschildert.

Die Autorin stellt der Beschreibung der Bootshäuser und ihrer Geschichte voran eine historische Betrachtung des Ruderns in Deutschland im gesellschaftlichen Kontext der Kaiserzeit und der Zeit der Weimarer Republik. Wir lernen, dass die Anfänge des Ruderns als „gentlemen sport“ von gut verdienenden Handelsleuten und von Akademikern zu Bootshäusern nach englischem Vorbild führten, die vom Stil eleganter Landhäuser geprägt waren. Sie lösten die einfachen Bootsschuppen und Holzhäuser der ersten Generation ab, die als Typ „Schweizerhaus“ eingeordnet werden.

Mit der steigenden Popularität des Ruderns, der Gründung von Vereinen für Frauen, für Arbeiter, für Betriebssport und für Schüler-Rudern wandelte sich nicht nur der Charakter der Clubs, sondern auch der Bootshäuser. Gerade die Schüler-Rudervereine mit einem Fokus auf Naturnähe werden als Teil der Wandervogel-Bewegung beschrieben. Die nach 1920 gebauten Häuser folgten dem Stil der schnörkellosen „Neuen Moderne“, wie wir ihn vom Bauhaus kennen. 1883 bis 1933 ist auch in der Architektur eine Zeit des Umbruchs!

Wenn bei rund 600 Rudervereinen knapp 100 Bootshäuser vorgestellt werden, kann man nicht beurteilen, wie repräsentativ die Auswahl ist. Jedenfalls wird erkennbar, dass Häuser, die Architekten, die Vereine und ihre Mitglieder, in vieler Hinsicht eine große Bandbreite abdecken. So waren die Entwurfsverfasser zum Teil solide Maurer- oder Zimmermeister, andere auch überregional sehr angesehene Vertreter ihres Faches. Das Bootshaus des AEG Kabelwerks Oberspree für die Berliner RG Elektra ist von Peter Behrens unter Beteiligung von Le Corbusiers entworfen. Behrens arbeitete u.a. als Architekt und Gestalter für AEG und hat neben vielem anderen das Verwaltungsgebäude der Firma Hoechst mit dem prägnanten Torbogen entworfen. Der Entwurf für das Bootshaus der Goethe-Universität Frankfurt stammt von Martin Elsaesser, der als Stadtbaudirektor zusammen mit Stadtrat Ernst May für die Umsetzung des Stadtentwicklungsprojektes „Neues Frankfurt“ verantwortlich war. Für die Qualität der Architektur spricht, dass viele der vorgestellten Bootshäuser als Denkmal eingestuft sind, wobei oft auch weitere Gebäude der gleichen Entwurfsverfasser diesen Status erlangt haben.

Das Raumprogramm der Bootshäuser umfasst typischerweise Bootshalle, Clubräume und Wohnräume für Hauswart, andere Betreuer oder Gästezimmer. Oft gibt es eine Aussichtsterrasse zum Wasser hin, mehrere Clubräume, Sporträume, eine Werkstatt.

Die Geschichte der Bootshäuser und ihrer Vereine spiegelt die Geschichte unseres Landes wieder. Die Wachstumsphase des Ruderns in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war geprägt durch den Wunsch nach sportlicher Betätigung und Erlebnis in der Natur aufgrund von mehr Freizeit durch wachsenden Wohlstand, steigende Mitgliederzahlen, Neubauten und Erweiterungen. Umbauten werden mit Zulassung von Frauen bei den Erwachsenen und von Mädchen bei den Schülerrudervereinen erforderlich. Der Anschluss von Schüler-Ruderern an Erwachsenen-Clubs, um der Eingliederung in die Hitlerjugend zu entgehen in den 1930ern. Im Gebiet der ehemaligen DDR wurden viele Rudervereine in Betriebssport-gemeinschaften umgewandelt. Viele Bootshäuser verfielen, wie das ganze Land. Einige erfuhren als staatliche Ruderleistungszentren ein besseres Schicksal. Nach der Wende gründeten sich viele Rudervereine neu und konnten ihr Bootshaus wieder übernehmen. Im Westen waren eine Reihe von Bootshäusern nach dem Krieg von den Alliierten oder von ausgebombten Behörden oder Firmen besetzt und die Vereine konnten ihre Häuser jahrelang nicht selbst nutzen, wie in Bonn beim GRC.

Aus dem Rheinland werden Bootshäuser in Neuwied, Bonn, Homberg und Mülheim an der Ruhr vorgestellt. Der Gymnasial-Turn-Ruder-Verein in Neuwied ist der zweitälteste Schüler-Ruderverein in Deutschland, gegründet 1883. Das heutige Bootshaus stammt aus dem Jahr 1932, war nach dem Krieg bis 1963 von der Wasserschutzpolizei genutzt. Es wird von der Autorin als beispielhaft für den Stil der Moderne der frühen1930er Jahre bezeichnet und ist so erhalten geblieben. Entwurfsverfasser war Curt Karl Rüschoff, der sich nach Angabe des Buches mit dem reformorientierten Konzept für zwei Wohnsiedlungen in Neuwied einen Namen gemacht hatte.

Das Bootshaus des Rudervereins Pädagogium Godesberg, erbaut 1910, geht auf einen Entwurf des Barmer Architekten Friedrich Schutte zurück, der 1901 auch das „Päda“, die Otto Kühne-Schule, entworfen hatte. „Reformpädagogen wie Hermann Wickenhagen und Otto Kühne waren Förderer des Schülerruderns“ über ihre eigenen Schulen hinaus, schreibt die Autorin, denn deren Erziehungsideale „wie Naturverbundenheit, Gemeinschaftsgeist und Eigenverantwortung spielten auch beim Schülerrudern eine Rolle.“ Das Bootshaus des RVPG ist ein Holzbau und in seiner äußeren Form unverändert. Innen wurde es mehrfach umgebaut; das erste Mal, um die Trennwand zu entfernen zu dem Teil, der zunächst vom WSVG, genutzt wurde, der bald in ein eigenes Haus umzog.

Das Bootshaus des Bonner Ruder-Vereins 1882, schreibt Petra Hoffmann, „vermittelt heute noch den Eindruck einer qualitätsvollen Umsetzung der Architekturströmung des Neuen Bauens am Ende der 1920er Jahre und gehört damit zu den wenigen erhaltenen Bootshäusern, die diese Zeit dokumentieren und die Sportbegeisterung der Weimarer Jahre zum Ausdruck bringen.“ Ähnlich hatte es die Denkmalbehörde bereits 1988 formuliert. Anstoß für die Anerkennung als Denkmal war die Sorge des Vereins, dass das Bootshaus dem Ausdehnungsdrang der Politik zum Opfer fallen könnte, wie es der Bonner Ruder-Gesellschaft zugunsten einer Erweiterung des Bundeshauses erging. Beinahe hätte den ARC-Rhenus dieses Schicksal zwei Mal ereilt.

Das Lob für den Erhalt des Bootshauses bedeutet auch eine hohe Anerkennung für den BRV zum Umgang mit seinem Haus seit 1930. Angestoßen und entworfen wurde der Bau von Bernhard Gelderblom, Vorstand im Verein und „Baumeister der Rheinischen Friedriech-Wilhelms-Universität Bonn von 1921 bis 1957“, so der Titel einer Schrift von 1957. Mit Planung und Bauleitung einer Reihe von Instituten, wie auch zum Beispiel  mit dem Ankauf von Gut Melb hat er die Universität, wie die Stadt, geprägt.

Die erste Erweiterung (Halle 2, heute Werkstatt) erfolgte bereits 1934, um den GRV vom Beethoven-Gymnasium aufzunehmen, der nicht von der Hitlerjugend vereinnahmt werden wollte, Dieser Anbau wurde ebenfalls von Gelderblom entworfen. Bei der Erweiterung 1970, damals für ein Schülerbootshaus, legte der Verein Wert auf eine gute Anpassung der Halle 3 mit neuem Eingang. Dafür sorgte Entwurfs-Architekt Woldemar von Holy. Bei der Modernisierung des Hauses 2014/2016 blieb die äußere Gestalt und denkmalwürdige Elemente im Inneren erhalten. Den beiden Architekten Benedikt Reipen und Gudrun Warnking gelang es, durch Änderung des Grundrisses, Entfernung von Trennwänden, zusätzliche Fensterflächen, einer Bar und weiterer Einbauten die Qualität der Innenräume deutlich zu verbessern.

Als drittes Bootshaus in Bonn wird das Heim der Akademischen Turn-Verbindung Gothia-Suevia vorgestellt. Auch hier hebt die Autorin den guten Erhaltungszustand hervor. Das Gebäude, 1910 entworfen von Leonard Gerhards, wird dadurch gekennzeichnet dass es sich in die Gestaltung der Rhein-Promenade am Wilhelm-Spiritus-Ufer perfekt einfügt. Es liegt genau in der Flucht der landseitigen Promenadenmauer und hat die gleiche Höhe wie diese. Daher folgt das Haus nicht der üblichen Bauweise der Bootshäuser senkrecht zum Fluß, sondern parallel dazu.

Das Buch zeigt anschaulich, dass gute Architektur zur Wertschätzung durch seine Nutzer und damit zur Langlebigkeit eines Gebäudes beiträgt. Es ist keine Überraschung, dass Gebäude in der Regel den Zeitgeist ihrer Entstehung und die weitere historische Entwicklung spiegeln. Das Buch macht das durch die Beschreibung der Gebäude, wie auch ihrer Geschichte, sehr anschaulich.

Man kann das Buch Ruderinnen und Ruderern sehr empfehlen, die sich mit der Geschichte des Ruderns befassen, den Vereinsvorständen zur Stärkung ihrer Argumente, auch in den Unterhalt der Gebäude zu investieren. Sicher ist es für Studenten, Architektinnen und Architekten eine wertvolle Lektüre über ein Segment aus der großen Breite der Bauaufgaben, jenseits des Tagesgeschäfts von Wohnungen und Büros. Zahlreiche Fußnoten und Hinweise auf weiterführende Literatur machen es zum wertvollen Nachschlagewerk auch für die Denkmalpflege.