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8. Mai 2020

Energiewende bei Bestandsgebäuden liefert Lösungsansätze – InnovationCity Ruhr, Modellstadt Bottrop: CO2-Ausstoß halbieren

Energiewende bei Bestandsgebäuden liefert Lösungsansätze

Klimaschutz war vor Corona das allgegenwärtige gesellschaftliche Thema. Ich kann nur hoffen, dass es diesen Stellenwert bald auch wieder erreichen wird, denn die entscheidende Frage zum jetzigen Zeitpunkt ist meiner Meinung nach: Wie schaffen wir es, eine Symbiose zwischen Klimaschutz und Konjunkturprogramm zu bilden?

Es hat sich noch nicht ausreichend herumgesprochen, dass Klimaschutz die Lebensqualität in den Städten verbessert. In Bottrop beweisen wir genau das: In dem Projekt InnovationCity Ruhr treiben wir die energetische Modernisierung von Wohngebäuden voran. Dadurch werden in dem Pilotgebiet Treibhausgase eingespart. Gleichzeitig steigt nicht nur das Wohlbefinden der dort lebenden Menschen, auch der Arbeitsmarkt bleibt stabil und wir setzen volkswirtschaftliche Impulse. Diesen klimagerechten Strukturwandel untermauern auch Zahlen: Mit 2,1 Millionen Euro Förderung wurden fast 16 Millionen Privatinvestitionen für den Klimaschutz ausgelöst. Ein geförderter Euro erzeugt demnach eine private Ausgabe von fast 7,50 Euro. Solche Ansätze führen zur Energiewende und sind praktisch angewandter Klimaschutz: Durch eher niederschwellige Maßnahmen konnten über 20 Prozent der Emissionen an den geförderten Gebäuden eingespart werden.

Das kommunale Handlungsfeld „Stadtquartier“ ist der entscheidende Aktionsraum, in dem die direkte Ansprache von Immobilienbesitzern und weiteren Akteuren möglich ist ebenso wie der bedürfnisgenaue Einsatz von öffentlichen Mitteln sowie deren Kontrolle. Dezentral und kommunal gesteuert könnte bei Bestandsgebäuden, die für 37 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich sind, eine energetische Modernisierungsrate von zwei bis drei Prozent jährlich erreicht werden. Damit wäre ein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz umgesetzt, denn die bundesweite energetische Modernisierungsrate liegt seit Jahren bei unter einem Prozent. Eine kommunale Energiewende bietet viele pragmatische Lösungsansätze. Einige davon habe ich in einem Zukunftsszenario dargestellt.

Zukunftsszenario einer kommunalen Energiewende

Zuschüsse für Modernisierungen gemäß CO2-Einsparung: Eine neue KfW-Förderung für private Eigentümer orientiert sich an der CO₂-Einsparung von Modernisierungsmaßnahmen. Die Förderverfahren werden auf die Kommunen übertragen. Die Basis bildet ein energetisches Modernisierungskonzept für das Stadtquartier, das nach den Richtlinien des KfW-Programms 432 erstellt wird. Anhand dessen beantragen die Kommunen Sanierungsmittel bei der KfW und rechnen diese in Jahresscheiben ab. Anhand von Gebäudesteckbriefen, die den Gesamtbestand des Quartiers abbilden, orientiert sich die unbürokratische Zuschussvergabe.

Kommunen beauftragen Energieberater: Der Bund und die Länder konzentrieren ihre Förderung von Energieberatung im Handlungsfeld der energetischen Quartierskonzepte und übertragen die Vergabesteuerung auf die Kommunen. Die Kommunen beauftragen im Rahmen der Konzepte die Verbraucherzentralen, Beratungsbüros oder freie Energieberater mit der Beurteilung von Fördervoraussetzungen und der sogenannten aufsuchenden Energieberatung, die bei den Hauseigentümern vor Ort stattfindet.

Wohnungsmieten als Warmmieten geregelt: In Anlehnung an die gewerbliche Vermietung werden Wohnungsmieten als Warmmieten geregelt, so dass Energieeinsparungen zur Finanzierung der Investitionen dienen. Die Umstellung auf die Warmmiete eröffnet in der gesetzlichen Mietgesetzgebung Spielräume und verringert den Druck auf die Mieten.

Photovoltaik von Steuer befreit: Um die Photovoltaik-Nutzung zu fördern, wird sie für den Eigenbedarf von allen Steuern befreit und der Status einer unternehmerischen Tätigkeit damit beendet. Der Einspeisevergütung wird ein entsprechender steuerfreier Status zugeordnet. Regenerativer Strom kann in der Nachbarschaft verteilt werden, der Netzbetreiber erhält ein entsprechendes Nutzungsentgelt. Mieterstrom-Modelle sind für Immobilieneigentümer und Energieanbieter attraktiv. Wohnungsgesellschaften können regenerativ erzeugten Strom im Gesamtbestand verteilen.

Durchbruch für Kraft-Wärme-Kopplung: Mit der Befreiung von administrativen und steuerlichen Belastungen wird auch der Technologie von Mikro-KWK-Anlagen zum Durchbruch verholfen. Eine Kopplung mit Photovoltaik-Anlagen sichert die Stromversorgung im Sommer und unterstützt sie im Winter. Weitgehende Selbstversorgung wird in den Kommunen über diese Technologien immer häufiger möglich.

Fazit

Energiewende ist keine Utopie, sie ist machbar. Deutschland braucht eine von unten organisierte Energiewende als Treiber für wirkungsvollen Klimaschutz. Die Kommunen sind als die ausschlaggebenden Träger der Energiewende zu stärken und zu fördern.

InnovationCity Ruhr | Modellstadt Bottrop: Klimaschutz in einer Kohlestadt

Ziel: innerhalb von zehn Jahren den CO2-Ausstoß in den Bereichen Privathaushalte, Gewerbe, Industrie, Dienstleistungen, Handel und städtische Liegenschaften zu halbieren und gleichzeitig die Lebensqualität zu steigern

Bottrop ist eine typische Ruhrgebietsstadt. 150 Jahre lang wurde Kohle gefördert, 2018 schloss die letzte Zeche. Doch 2010 begann der Umbau in eine klimafreundliche Stadt. Die Stadt Bottrop gewann den Wettbewerb des Initiativkreises Ruhr (IR), ein Zusammenschluss von rund 70 führenden Unternehmen im Ruhrgebiet, zur Klimastadt der Zukunft und wurde zur „InnovationCity Ruhr | Modellstadt Bottrop“. Deutschlands erste InnovationCity versteht sich als Experimentier- und Laborraum für klimagerechten Stadtumbau mit dem einmaligen Ziel, innerhalb von zehn Jahren den CO2-Ausstoß von damals knapp 270.000 Tonnen CO2 in den Bereichen Privathaushalte, Gewerbe, Industrie, Dienstleistungen, Handel und städtische Liegenschaften zu halbieren und gleichzeitig die Lebensqualität zu steigern. Für dieses Ziel arbeitete die Stadt Bottrop von Anfang an mit der Innovation City Management GmbH (ICM) zusammen, die vom IR zur Entwicklung und Steuerung des Klima-Projektes gegründet wurde.

Pilotgebiet mit 70.000 Einwohnern – Masterplan von Albert Speer & Partner

Das Projekt bezieht sich nicht auf ganz Bottrop, sondern auf ein Pilotgebiet, das im Rahmen der Bewerbung als Innovation City von der Stadt Bottrop definiert wurde. In diesem Pilotgebiet leben 70.000 der insgesamt 117.000 Bewohner Bottrops in rund 12.500 Wohngebäuden. Das Frankfurter Planungsbüro Albert Speer & Partner hat 2012 bis 2014 mit Hilfe der Stadt und der ICM bauliche, energietechnische und soziale Strukturen des Gebietes analysiert, 300 Maßnahmen und Projekte zu Energieeffizienz und Treibhausgasverringerung skizziert und die Projekte in einem 1.300 Seiten starken Masterplan zusammengefasst.

Wichtige Umsetzungsprojekte auf dem Weg zur Kohlendioxid-Reduktion sind zum Beispiel das Klärwerk, das bereits energieautark ist und seinen Klärschlamm zukünftig mit Sonnen- und Abwärme-Energie trocknen will, der Ausbau der Fernwärme, die energetische Gebäudemodernisierung durch private Eigentümer und Wohnungsgesellschaften sowie der Ausbau von Photovoltaik-Anlagen.

Zwischenbilanz Wuppertal Institut 2015: 37,4 Prozent Minderung erreicht – Schlussbilanz 2021

Eine erste Zwischenbilanz zog das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie im Jahr 2015. Es hat ermittelt, dass in der Klimastadt Bottrop Ende 2020 durch bereits umgesetzte sowie durch die bis dahin gesicherten Projekte 37,4 Prozent der CO2-Emissionen beziehungsweise gut 100.000 Tonnen CO2 im Pilotgebiet eingespart werden. An den restlichen 12,6 Prozent wird weiter gearbeitet. Die Akteure in Bottrop sind zuversichtlich, dass sie auf dem richtigen Weg zur Zielerreichung sind. Im Frühjahr 2021 soll Bilanz gezogen werden.