für die Menschen in Bonn, Rhein-Sieg-Kreis und die Nachbarn an Rhein, Ahr und Erft

19. April 2020

Wir Verbraucher geben von unserem verfügbaren Einkommen nur 10,3 % für Lebensmittel aus,ein sehr kleiner Anteil gegenüber fast 50 % in 1950.

Wir Verbraucher geben von unserem verfügbaren Einkommen nur 10,3 % für Lebensmittel aus. Das ist ein sehr kleiner Anteil gegenüber fast 50 % im Jahre 1950. Damit hat sich auch unser Verhältnis zu Lebensmitteln stark verändert. Wir können alles zu jeder Zeit erwerben. Mangel im Sinne von Verfügbarkeit gibt es bei uns im Lande im Vergleich zu ärmeren Ländern nicht. Weiterhin  haben wir selbstverständlich den Anspruch an Lebensmittel auf Nachhaltigkeit, Sicherheit, Preiswürdigkeit und einem schlanken CO2-Fußabdruck. Über 80 % der Nahrungsmittel genießen  wir in verarbeiteter Form. Das gibt insgesamt fast 600.000 Menschen einen Arbeitsplatz und macht die Nahrungsmittelbranche zu einer wichtigen Säule unserer Wirtschaft.

In der Corona-Krise wird plötzlich deutlich, welche besondere Bedeutung der landwirtschaftlichen Urproduktion zukommt. 275.000 landwirtschaftliche Betriebe sorgen insgesamt für eine sichere Versorgung vor allem bei Getreide, Kartoffeln, Schweinefleisch und Frischmilchprodukte. Hier gibt es in Deutschland eine mehr als 100-prozentige Selbstversorgung. Bei Gemüse, Obst und Eiern sind wir aus vielfachen Gründen auf nennenswerte Importe angewiesen. Jetzt in der Corona-Krise wird der Einsatz der Landwirtschaft erfreulicherweise wieder wertgeschätzt. Dies war vorher in der Bevölkerung vielfach nicht der Fall. Den Landwirten wurde vor allem von interessierten Kreisen ein Image der Vergifter und Tierquäler angehängt. Dies ist auf eine große persönliche Distanz und damit auch Unwissenheit der Verbraucher über die heutige in jeder Hinsicht anspruchsvolle Arbeit der Landwirte zurückzuführen. Noch nie in der Geschichte unseres Landes gab es  nachweislich so sichere Nahrungsmittel und Tiere, deren Gesundheitsstatus außerordentlich hoch ist, wie heute. Der Einsatz der Frauen und Männer in der Landwirtschaft trägt dazu bei, dass wir uns mit gesundheitlich hervorragenden Lebensmitteln überwiegend aus heimischen Gefilden versorgen können. Dies verdient Respekt und Anerkennung und nicht eine Verteufelung eines ganzen Berufsstandes.   

Es macht nachdenklich, dass wir so viele Saisonarbeitskräfte aus anderen Ländern vor allem bei der Gemüseproduktion einsetzen müssen, weil die Wertschätzung der hiesigen Bevölkerung für diese Arbeit nicht sehr hoch ist. Die Bedeutung dieser Arbeitsteilung ist uns dank Corona deutlich vor Augen geführt worden. Wir lernen auch wieder, dass agrarische Erzeugnisse Naturprodukte sind, die bei der Reife auch geerntet werden müssen. Da spielen die Rahmenbedingungen wie Wetter und die Wahl der Arbeitstage und die Arbeitsdauer eine nachgeordnete Rolle. Dies alles ist erforderlich, um die lückenlose Versorgungskette in Richtung Verbraucher zu garantieren. Geschlossene Grenzen zeigen uns auch die Gefahr möglicher Versorgungsengpässe deutlich auf.

Fachlich gut ausgebildete Landwirte wissen mit unseren knappen Ressourcen wie Wasser, Nährstoffen, Boden und Energie sehr wohl sparsam umzugehen. Dies ist dank der konsequenten Anwendung des biologisch-technischen Fortschritts in den letzten Jahrzehnten gut gelungen. Gleichzeitig wurden hervorragende Produkte zudem zu günstigen Preisen erzeugt. Die Landwirtschaft hat einen großen Beitrag zur Preisstabilität bei Nahrungsmitteln geleistet. So sind die realen Preise in den letzten Jahrzehnten deutlich gesunken. Nach der Krise sollten wir uns dies noch einmal vor Augen führen, um nicht falschen Bildern nach einer nachweislich stark ressourcenverbrauchenden Landwirtschaft zu folgen, schon gar nicht weltweit, die die Welternährung und damit auch das Zusammenleben stark gefährdet und weitere Flüchtlingsströme auslösen wird.

Aus dieser Zeit zu lernen, ist unsere Verpflichtung. Es gilt nun, Abläufe zu hinterfragen, zu evaluieren und zukunftsweisende Lösungen zu installieren.

Das Corona-Virus (SARS-CoV-2 / Covid-19) hat uns alle in unserem normalen Leben ausgebremst und vor große Herausforderungen gestellt. Wir befinden uns derzeit in einer Krisensituation, die es so noch nicht gegeben hat. Um diese bewältigen zu können, mussten wir unseren Alltag und unsere liebgewonnenen Gewohnheiten von heute auf morgen „auf den Kopf stellen“. Ich kann Ihnen versichern, das ist für uns alle schwierig.

Auch mich als Vorgesetzter von etwa 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beschäftigt das Thema dauerhaft. Der bestmögliche Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat Vorrang vor allem. So musste sich das Arbeitsleben der Kreisverwaltung völlig verändern. Abläufe oder Innovationen, die bisher vielleicht unüblich waren, werden umgesetzt und gehen jetzt schon – nach ein paar Wochen Praxis – unbemerkt in Normalität über. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber ich selber auch, arbeiten statt mit Besprechungen und persönlicher Anwesenheit seit mehreren Wochen mit Telefon- und Videokonferenzen. Webinare sowie flexibles Arbeiten von zu Hause oder aus dem Büro gehören ebenso dazu. Das hat gut geklappt! Ich habe viele Erfahrungen sammeln können und schon jetzt zeichnet sich ab, dass genau dieser Bereich bei der Kreisverwaltung weiter ausgebaut wird. Gerade als zertifizierter Arbeitgeber im Bereich „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ werden wir hier weiter voranschreiten.

Ein Bereich, der bisher mit großen Herausforderungen für die gesamte Region verbunden war, erlebt ebenso weitreichende, aber teilweise auch positive, Auswirkungen der Coronakrise: Auf den Straßen des Rhein-Sieg-Kreises und der Region ist viel weniger Verkehr unterwegs. Ein Grund dafür ist, dass viele Menschen von zu Hause aus arbeiten – der Pendlerverkehr ist überschaubar geworden. Das zeigt, dass wir mit unserem Projekt “Jobwärts.einfach.besser.pendeln“ im Rahmen des Betrieblichen Mobilitätsmanagements genau richtig liegen. Gemeinsam entwickeln hier die Stadt Bonn, der Rhein-Sieg-Kreis und das Zukunftsnetz Mobilität mit Arbeitgebenden innovative Mobilitätsangebote für Pendlerinnen und Pendler. Hier werden wir weiter intensiv an Lösungen arbeiten.

Insgesamt begreife ich die Krise in erster Linie als große Chance – aus dieser Zeit zu lernen, ist unsere Verpflichtung, auch wenn es an der ein oder anderen Stelle schmerzhaft ist. Es gilt nun also, Abläufe zu hinterfragen, zu evaluieren und zukunftsweisende Lösungen zu installieren.

Die Einladung zu einem Beitrag für RheinPublik hat der Bonner OB mit einem Video beantwortet.