für die Menschen in Bonn, Rhein-Sieg-Kreis und die Nachbarn an Rhein, Ahr und Erft

Werner Preusker

Wer sich jetzt noch nicht mit Online befasst hat, der wird es bereuen, denn der Kunde erwartet auch dieses Angebot vor Ort.

Rheinpublik: Herr Hergarten, Sie sind Geschäftsführer eines der ältesten Inhaber-geführten Familienbetriebe in Bonn. Sie blicken auf einen über einhundertjährigen Geschäftsbetrieb zurück. Was ist das für ein Gefühl in sehr schwierigen Zeiten für Einzelhandelsgeschäfte?

Herr Hergarten: In der Tat hat unser Geschäft eine sehr lange Tradition, gegründet 1911 von meinem Großvater. Wir haben zwei Weltkriege, zwei Währungsreformen und viele Wirtschaftskrisen bewältigt. Die Zahl der Inhaber-geführten Familienbetriebe ist rückläufig, eine der letzten Schließungen war das über Bonn hinaus bekannte Spielzeuggeschäft „Puppenkönig“. Teilweise haben sich die Marktverhältnisse für die Kollegen ungünstig verändert, teilweise haben sie altersbedingt bei fehlendem Familiennachfolger geschlossen. Einige Traditionsgeschäfte sind unter Beibehaltung des Namens an andere Inhaber übertragen worden, sind noch Teil des Einzelhandels in Bonn. Das Internet hat Marktanteile für viele Branchen abgezogen.

Rheinpublik: Mit welcher Strategie hat Ihr Unternehmen diesen langen Weg bewältigt?

Herr Hergarten: Irgendwie haben wir immer zur richtigen Zeit eine Marktanpassung vorgenommen, wobei der Kernbereich, hochwertige Kosmetika, geblieben ist. Wir haben auch einzelne Filialen geschlossen und unser Hauptgeschäft vor einigen Jahren um das Loft8 ergänzt, eine Halle mit Bar für Schmickshows und Jazz-Konzerte.

Wie kommt ein solches Traditionsunternehmen zum Online-Handel?

Herr Hergarten: Im Grunde meines Herzens liebe ich es, mit Kunden persönliche Gespräche zu führen, den Kontakt zu Kunden zu halten, mich zu unterhalten. Vor ca zweieinhalb Jahren haben wir dennoch mit dem online-Handel angefangen, es war spät, aber nicht zu spät. Online hat den großen Vorteil, dass wir nicht nur Kunden aus Bonn ansprechen können, sondern im Prinzip deutschlandweit. Wir haben Bestellungen von Sylt bis Garmisch-Partenkirchen, weil wir den Vorteil haben, dass wir sehr, sehr exklusive Marken in unserem Shop haben. Der Nachteil aber ist, dass Sie sich logischerweise nicht wie in Bonn mit zwei, drei Wettbewerbern messen müssen, sondern deutschlandweit mit hunderten Online-Anbietern. Dadurch entsteht ein sehr großer Preisdruck, d. h. der Kunde kann mit ein, zwei Klicks hunderte verschiedener Preise vergleichen. Das ist erschreckend und faszinierend zugleich. Faszinierend, dass es Sinn macht, einen Shop zu betreiben mit exklusiven Marken, wo dann wirklich Menschen aus Bayern ihre Produkte in Bonn bestellen. Erschreckend, weil bei dieser Anonymität allein der Faktor Preis zählt. Da schlägt eine Variante von Kapitalismus gnadenlos zu, bei der Kundenservice, Kundennähe vollkommen ausgeblendet wird.

RheinPublik: Was ist der Vorteil, wenn ich zu Ihnen ins Geschäft komme, denn dann?

Herr Hergarten: Der große Vorteil ist, dass der Kaufakt im Laden auch etwas Kulturelles ist, man hat Kundenbeziehungen, die sich teilweise über Jahrzehnte ergeben haben. Die Großmutter bringt irgendwann die Tochter mit und die irgendwann ihre Tochter. Dadurch entsteht eine lange persönliche Kundenbeziehung zu uns, mitunter auch Freundschaften. Es gibt auch einen sehr großen kulturellen Aspekt, dass man sich wie auf dem Markt über das Wetter, über die Gesundheit unterhält, oder was in Bonn so passiert zum Beispiel das  politische Geschehen.  So ein Kundengespräch kann über eine halbe Stunde dauern, wobei eben der Kaufakt vielleicht nur den geringeren Teil ausmacht, aber genau dieses Kulturelle, dieses Persönliche hat einen ganz großen Stellenwert.  Das ist ungefähr so wie bei einem Frisör, bei dem man sich die Haare schneiden lässt und man sich über Gott und die Welt unterhalten kann. Menschen, die vielleicht nicht so viele soziale Kontakte haben, für die ist es ein kleiner Gegenpol zur Einsamkeit. Und für das persönliche Gespräch, für das Einkaufserlebnis, zählt das Ambiente eine wichtige Rolle.

Rheinpublik: Also stellt der Kauf im Geschäft auch ein stückweit eine Gegenposition zu Anonymität des Internets dar?

Da haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen, der Akt des Kaufens beginnt ja mit einer Begrüßung, nach „Guten Tag Frau Meier“, man hat direkt einen persönlichen Kontakt. Für diese persönliche Begegnung haben wir bei uns im Laden dieses wunderschöne Ambiente, diese alten Barockeinrichtung. Bei uns bekommen die Kunden auch mehrere neue Dinge empfohlen, das heißt, wenn ein Stammkunde den Laden betritt, dann weiß meine Verkäuferin, Aha, diese Kundin mag eher frische Düfte, d. h. die Beratung ist auf einem ganz anderen Niveau. Die Kunden erhalten alles liebevoll eingepackt, man bekommt eine Probe hinzu, man kann sich sonst austauschen über das, was in Bonn so passiert, über kulturelle Dinge oder andere Themen, die diesen individuellen Kunden interessieren. Es gibt einen ganz großen Stammkundenbereich bei uns, der dieses Persönliche geradezu genießt. Für diese persönliche Begegnung ist die Erreichbarkeit der Geschäfte so wichtig.

Rheinpublik Also der Einkauf in einem Einzelhandelsgeschäft oder einem Kaufhaus vor Ort ist auch ein sozialer Akt?

Herr Hergarten: Genau, der ist eigentlich durch nichts zu ersetzten.

Den besten Vergleich liefert im Moment dieser Lockdown, wo gerade die persönlichen Kontakte minimiert werden und viele Leute nutzen jetzt unseren „Call und Collect Service“, rufen ihre Stammverkäuferin an, bestellen ihr Produkt, holen es an der Ladentür ab und bezahlen kontaktlos mit Karte. Da haben wir Gott sei Dank auf Grund der Stammkundschaft durchaus Erfolg.

Rheinpublik Einige technische Aspekte der Kombination des Online-Handels und Stationären-Handel. Wie hat sich der Umsatz im Stationären-Handel im Vergleich  zum Online-Handel entwickelt, wenn man das in Prozent ausdrücken kann.

Herr Hergarten: Wenn Vollmar gefragt ist, dann kann ich sagen, dass bei uns der stationäre Anteil sich ungefähr um 15 Prozent verringert hat, aber durch den online-Handel überkompensiert wird. Für ganz Deutschland kann man sagen,  der größte Wettbewerber, die Firma Douglas, macht bereits über 40 Prozent Umsatz über das Netz und nur noch 60 Prozent in den Läden. Deswegen werden Läden als Verkaufsstelle relativ teurer, der Umsatz pro Laden, pro qm geht zurück, was logischerweise dann immer wieder zu Ladenschließungen führen wird.

Rheinpublik Ihre Vorgehensweise ist noch nicht bei allen Einzelhändlern in Bonn zu finden, sprich die Kombination von stationärem und online Handel. Der jetzige Lockdown hat das System von Call und Collect gefördert. Glauben Sie, dass nach der Pandemie der stationäre Handel sich auch vermehrt mit Online-Handel vermischen wird?

Herr Hergarten: Das würde ich den Kollegen, die noch keinen Online-Handel haben, dringend raten, denn man muss sagen, dass Online-Marketing oder Online-Kaufen auch einige Vorteile hat. Wenn es draußen schneit und windet und kalt ist und die Stadt mal wieder im Dauerstau, ist es schon angenehm, zu Hause im Warmen zu sitzen und durch verschiedene Klicks etwas zu bestellen, was dann im Netz auch teilweise günstiger ist, als in einem Geschäft. Wir haben ja in Bonn leider keine gute Erreichbarkeit in der Innenstadt. Ich kann Kunden verstehen, die sagen, draußen regnet es, die Parkgebühren werden immer teurer, man steht im Stau , so ist das Kaufen im Online absolut verständlich. Es wäre schön, wenn dann die online-Bestellung bei einem Bonner Händler landen würde.

Rheinpublik Zu dem Thema Online-Handel und Stationärer-Handel gibt es eine Zukunftsinitiative des Handelsverbands HDE und Google seit September 2020. Haben Sie hier in Bonn feststellen können, dass diese Initiative von einzelnen Händlern aufgegriffen worden ist?

Herr Hergarten: Die Entscheidung, sich mit Online zu befassen oder auch nicht, hat natürlich ganz großen Einfluss auf das Geschäft. Zunächst ist es ein großer finanzieller Aufwand, einen Online-Shop auf die Beine zu stellen. Es macht nur dann Sinn, wenn man das auch längerfristig betreibt. Das kann man nicht aus dem Hut zaubern, sondern es bedarf mühsamer, monatelanger Arbeit, sich bemerkbar zu machen und hängt auch von den Produkten ab, die ich anbieten will.

Rheinpublik: Ihr Online Handel ist mir erstmals beim ersten Lockdown durch Werbung aufgefallen.

Herr Hergarten Damals haben wir die Werbung für diesen Geschäftsteil deutlich verstärkt und das mit Erfolg.

Rheinpublik: Was schlagen sie ihren Einzelhandels-Kollegen in Bonn vor?

Herr Hergarten: Ich kann nur allen Kollegen dringend raten, wer sich jetzt noch nicht mit Online befasst hat, der wird es bereuen, denn der Kunde erwartet auch dieses Angebot vor Ort. Nicht nur ich als Händler muss es wollen, sondern es gilt die bekannte Regel „der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“, d. h. dem Kunden muss man es auch schmackhaft machen. Er muss spüren, dass seine Erwartungshaltung erfüllt wird, dass dieser Online-Bereich als Service-Dienstleistung ganz normal zum Angebot dazugehört, dass er online bestellen kann, wenn er krank ist oder im Urlaub, etc. Man muss im Grunde versuchen, das Beste aus beiden Welten anzubieten.

Der Online-Bereich ist einer der stärksten Veränderungen der letzten Jahrzehnte. Man muss als Händler, der stets am Puls der Zeit ist, sich auf vieles einstellen, auf Kundenwünsche, auf neue Marken, auf Kundenverhalten. Die letzten zehn Jahre gab es einen Trend zu neuen, sinnvollen Naturprodukten, die ökologisch ausgerichtet sind. All  das hat auch immer direkt mit dem Menschen zu tun. Ich vergleiche einmal etwas salopp die Veränderung stationär/online mit der Autoindustrie und der Entwicklung von benzin-betriebenen Fahrzeugen zu elektro-betriebenen. Das ist eine ganz andere Welt, was einen großen „Cut“ bedeutet, der wie bei uns Einzelhändlern nur schwer zu verdauen ist. Wir sind seit Jahrzehnten gewohnt, die Menschen, den Kunden, im Mittelpunkt unseres Geschäftes hier in Bonn zu haben. Wir kennen unsere neuen Kunden nicht. Im Netz ist es ein Kunde aus München oder aus Hamburg, den ich nicht kenne und diese Veränderung ist epochal.

Rheinpublik Sie haben vorhin davon gesprochen, dass sich persönliche Beziehungen ihrer Mitarbeiter zu Kunden entwickelt haben. Nun bietet das Netz ja auch die Möglichkeit der personalisierten Werbung. Machen Sie davon Gebrauch?

Herr Hergarten: Die neuen Medien, vornehmlich Instagram und Facebook, werden bei jungen Leuten und teilweise bei nicht mehr ganz so jungen Leuten, durchaus sehr stark wahrgenommen. Aber auch dort muss man sehen, dass man nicht übertreibt, dass die Kunden im Briefkasten nicht 100 Werbesendungen haben möchten und der Briefkasten überquillt. Auch online-Werbung wird nur von einem gewissen Teil von Kunden angenommen und angeschaut. Insofern ist es zwar ein unabdingbarer Weg, sich im Online-Bereich bemerkbar zu machen, ist aber auch mit Kosten verbunden und mit großem zeitlichem Aufwand.

Was mich am Anfang verwundert hat, war die Auswahl der Kunden, die bei uns bestellt haben. Ich dachte, dass es mehrheitlich Kunden aus dem Großraum Bonn und dem Rheinland sind, Kunden die von Vollmar schon einmal gehört haben. Das ist aber nur zu 20 Prozent der Fall, die anderen 80 Prozent sind wirklich Kunden, die sich aus ganz Deutschland, von Sylt bis Garmisch-Partenkirchen, aus Hamburg, München, Berlin rekrutieren und die wahrscheinlich noch nie im Leben den Namen Vollmar aus Bonn gehört haben.

Rheinpublik Wie kann der lokale Händler auf sein Call und Collect und Online-Portal lokal aufmerksam machen?

Herr Hergarten: Da will ich wieder so ein kleinen Erfahrungssatz anbringen, „Die großen Fische fressen nicht die Kleinen, sondern die Langsamen“.  Das heißt heute: ein kleiner Händler, muss schnell handeln. Er hat auch jetzt die Chance, sich bemerkbar zu machen. Was wir in die Waagschale werfen müssen als lokale Händler, ist das wir uns eben lokal besser auskennen als ein Großfilialist, d. h. man muss die Kontakte nutzen, die man hat. Das geht über den Sportverein, den Karneval, klassisch über Anzeigen, über soziale Kontakte, über Instagram, über alles, was man sonst im Prinzip machen kann. Dass man seine eigenen Autos beklebt, über die Mitarbeiterin, diese motiviert „Mensch mach auch mal in deinem privaten Bereich Werbung über Facebook für uns“. Es gibt ganz viele kleine Mosaiksteine, die man nutzen kann. Bei allem hat der Lokale den Vorteil, den ein Großfilialist nicht hat, weil er sich in Bonn nicht auskennt.

Rheinpublik Das gilt für Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis, da gehe ich mal von aus?

Herr Hergarten: Ja!

Rheinpublik Gibt es eine Institution, die dem lokalen Händler mit Rat und Tat zu Seite steht? Die sie hier benennen können?

Herr Hergarten: Das ist in erster Linie der Einzelhandelsverband, die Interessenvertretung aller Händler hier im Rhein-Sieg Kreis mit Euskirchen und  Bonn. Dann die-City-Marketing, da wird das gemacht, was wir Händler nebenbei sonst in unserer normalen Arbeitszeit auch noch leisten müssten. Ich muss leider sagen, einen ganz dicken fetten Minuspunkt gibt es vom Einzelhandel für die Stadt Bonn selbst.  Uns wird so gut wie  nicht geholfen, im Gegenteil durch eine, in unseren Augen unverständliche Verkehrspolitik werden uns sogar noch Knüppel zwischen die Beine geworfen, angefangen von einer Verkehrsführung, die den Autofahrern sehr stark behindert, nach Bonn zu kommen. Das kann man überhaupt nicht verstehen, weil eine Stadt durch Ihre Faszination durch den Handel erst lebt. Wenn der Rat der Stadt Bonn tatsächlich sozial eingestellt ist, muss er auch etwas für die sozialen Kontakte der Menschen in der Innenstadt machen. Am Hof sieht man, die negativen Auswirkungen nicht mehr zu vermietender Ladenlokale.   Wenn die Kaufhäuser verschwunden sind, wenn das Angebot klein ist, dann werden die Städte sterben, das kann doch nicht im Interesse der Politik sein. Insofern mein Appell an die Politik, die Innenstädte, im Bereich wo es machbar ist, zu unterstützen und nicht noch durch Verkehrsverschlechterungen die letzten Kunden noch zu vergraulen.

Für das Leben in der Innenstadt, für Kultur, Restaurants, für das Leben der Geschäfte vor Ort brauchen wir einen vernünftigen Verkehrsmix.

Rheinpublik: Vielen herzlichen Dank!

Das Gespräch wurde für Rheinpublik von Dr. Thomas Zeit geführt.

Der Bonner Verein für Pflege- und Gesundheitsberufe e.V. bildet nicht nur Pflegekräfte aus, sondern wirbt auch dafür und fördert die Integration.

Der Bedarf an Pflegefachkräften wird in den nächsten Jahren weiter steigen. Bereits heute sind 3,4 Millionen Pflegebedürftige auf die Hilfe von gut ausgebildeten Pflegekräften angewiesen Tendenz steigend (1). Aber schon jetzt sind nicht genügend Stellen in der Pflege besetzt. Genau hier bringt sich der Bonner Verein für Pflege- und Gesundheitsberufe e.V. ein. Als gemeinnütziger Träger setzen wir uns mit vielfältigen Initiativen und Projekten für das Thema Fachkräfteausbildung und -qualifizierung in der Pflege ein. Außerdem tragen wir zur gesellschaftspolitischen Anerkennung des Pflegeberufs bei.

Mit knapp 400 Auszubildenden sind wir eine der größten Pflegeschulen in der Region. Dazu werden etwa 100 weitere Menschen auf die Ausbildungsreife vorbereitet. Neben der dreijährigen Ausbildung als Altenpfleger*in bzw. Pflegefachfrau/ Pflegefachmann können Interessenten beim Bonner Verein auch die einjährige Ausbildung als Altenpflegehelfer*In absolvieren.

Außerdem bieten wir Mitarbeiter*Innen und Führungskräften in der Pflege die Möglichkeit, mit berufsbegleitenden Fort- und Weiterbildungen ihre Fachkompetenz zu erweitern. Das Engagement des Bonner Vereins beginnt jedoch schon viel früher. Mit unserer lückenlosen Bildungskette ist es gelungen, auch Menschen zu befähigen, eine Ausbildung zu beginnen, die zunächst noch nicht die notwendigen Voraussetzungen erfüllen. Das können etwa junge Erwachsene sein, die ihren Hauptschulabschluss nachholen möchten, ebenso wie zugewanderte Menschen, die in der Pflege arbeiten möchten.

Wir orientieren uns am ganzheitlichen Menschenbild und haben neben der Sprachvermittlung und der fachlichen Qualifikation auch die soziale und berufliche Integration im Fokus. So bieten wir seit einigen Jahren verschiedene Projekte zur beruflichen Integration von geflüchteten Menschen an, in deren Rahmen die Teilnehmenden von einer Stufe zur nächsten begleitet und betreut werden. Es beginnt bei Sprachkursen mit und ohne pflegespezifischen Bezug über die Begleitung zu Ämtern bis hin zur Unterstützung bei der Anerkennung von Abschlüssen.

Das von der SKala-Stiftung geförderte Projekt „Sprungbrett Pflege“ zum Beispiel richtet sich an geflüchtete Menschen, die Interesse an einer Ausbildung in der Pflege haben und bietet einen niederschwelligen Einstieg und eine lückenlose Bildungskette, mit der sie sukzessive für eine Pflege-Ausbildung interessiert und befähigt werden. Neben dem Sprachunterricht und der Vermittlung von System- und Fachwissen zur Pflege, haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, den Hauptschulabschluss nachzuholen.

Auch Ausflüge, Kommunikations- und Bewerbungstrainings gehören zum Programm. Zentrale Ziele sind dabei die gesellschaftliche und berufliche Integration, immer begleitet von einem Mentorenprogramm und der Kinderbetreuung. Die Teilnehmenden werden so langfristig bei ihrer beruflichen Integration in die Pflege unterstützt.

Ein besonderes Augenmerk legen wir auf Mütter mit Migrationshintergrund. Viele dieser Frauen sind nicht berufstätig, obwohl sie sich eine berufliche Perspektive wünschen. Im Rahmen des Projekts „Mütter mit Migrationshintergrund steigen ein“, das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem Europäischen Sozialfonds gefördert wird, bereitet der Verein Migrantinnen mit Kindern auf den Einstieg in einen hauswirtschaftlichen, pflegerischen oder erzieherischen Beruf vor.

Zunächst unterstützen wir die Teilnehmerinnen bei der Anerkennung eines eventuellen ausländischen Schulabschlusses. Falls dieser nicht vorliegt oder eine Anerkennung in Deutschland nicht möglich ist, können die Teilnehmerinnen im Bonner Verein den Hauptschulabschluss nachholen, der sie für die nachfolgende Ausbildung qualifiziert.

Neben Unterricht der deutschen Sprache erwerben die Frauen grundlegende Schlüsselkompetenzen für die Pflege oder Berufe im erzieherischen und hauswirtschaftlichen Bereich. Die Teilnehmerinnen, die sich für die Pflege entschieden haben und die entsprechenden formalen Voraussetzungen mitbringen, beginnen eine berufsqualifizierende Ausbildung, die nach einem Jahr in dem Beruf der staatlich anerkannten Altenpflegehelferin mündet, oder nach drei Jahren mit dem Abschluss der staatlich anerkannten Altenpflegerin/Pflegefachfrau beendet wird.

Teilnehmerinnen, deren Berufswahl auf erzieherische oder hauswirtschaftliche Berufe gefallen ist, unterstützen wir bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Nicht selten ist die Teilnahme am Projekt für die Frauen die erstmalige Chance, sich in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren und finanzielle Unabhängigkeit sowie eine sichere berufliche Perspektive zu erlangen. Mit seinen Projekten setzt sich der gemeinnützige Verein gleich für die Lösung zweier gesellschaftlicher Herausforderungen ein: Einerseits streben viele zugewanderte Menschen nach Arbeit und finanzieller Unabhängigkeit. Andererseits fehlen insbesondere in der Pflegebranche gut qualifizierte Fachkräfte. Wir möchten mit unserem Engagement in der Integrations- und Bildungsarbeit beide Herausforderungen angehen und die Gesellschaft so zum Positiven verändern.

Mit einer Geldspende können Sie unsere Arbeit unterstützen und einen persönlichen Beitrag für Nachwuchs in Pflegeberufen und der Förderung von Integration leisten.

(1) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/786456/umfrage/marktvolumen-in-der-ambulanten-undstationaeren-pflege-in-deutschland/,

http://www.bv-pg.de

Mit kreativen Aktionen wie mit den Weinen IMPFSTOFF und LOCKDOWN haben die Ahr-Winzer ins Schwarze getroffen

Mit kreativen Aktionen wie mit den Weinen IMPFSTOFF und LOCKDOWN haben die Ahr-Winzer ins Schwarze getroffen

Seit rund einem Jahr hat sich das Leben weltweit verändert. Die Corona-Pandemie ist allgegenwärtig und beeinflusst das öffentliche Leben und die Wirtschaft enorm. Dass man in diesen schwierigen Zeiten trotz der bedrohlichen Lage den Humor nicht verlieren darf, zeigt die Dagernova Ahr Weinmanufaktur mit zwei Sonderabfüllungen.

Mit dieser und anderen Aktionen stellt sich die Winzergenossenschaft auf die neue Situation ein und zeigt, dass sie sich nicht auf über 140 Jahren Tradition ausruht, sondern immer wieder Innovationen hervorbringt.

Bereits im Oktober stand der IMPFSTOFF-Wein, ein trockener Basis Spätburgunder in den Regalen, um als limitiertes Produkt das Weihnachtsgeschäft anzukurbeln. Die Marketingaktion hat die Erwartungen mehr als übertroffen, und so stand die Abfüllanlage bis Dezember nicht still! Kunden, Firmen und auch neue Dagernova-Fans aus ganz Deutschland waren begeistert vom IMPFSTOFF, der – wie das Etikett mitteilte  garantiert nicht gegen das Virus half, aber die Lage ein wenig erträglicher machte. Kurz vor Weihnachten meldete die Dagernova dann: AUSVERKAUFT!

Aber wer nun meint, dass sich die Dagernova auf den Lorbeeren ausruhte, liegt falsch, denn die zweite Auflage stand bereits in den Startlöchern. Aufgrund der hohen Nachfrage nach einer weißen Variante des IMPFSTOFFES haben wir unsfür einen halbtrockenen Spätburgunder Blanc de Noir entschieden und ihm den Namen LOCKDOWN gegeben.

Zeitgleich mit der von Bund und Ländern verordneten Verlängerung der Corona-Schutzmaßnahmen und der damit verbundenen Lockdown-Verlängerung stand die neue Sonderabfüllung in den Regalen und auch hier reißt die Nachfrage nicht ab. Auf dem Etikett wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Wein im nicht-öffentlichen Raum und mit maximal einer weiteren Person getrunken werden soll. Ein weiterer Hinweis lautet: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte unsere Winzer oder Kellermeister.

Die bedrohliche Lage weltweit wird aber keinesfalls verharmlost. Im Gegenteil: Die Dagernova Ahr Weinmanufaktur ist sich der existenziellen Bedrohung vieler Betriebe bewusst und hat sich bewusst dazu entschieden, 1 € pro verkaufter Flasche des LOCKDOWN-Weins an die langjährigen regionalen Gastronomiepartner zu spenden. In dieser Krise müssen wir alle zusammenstehen. Daher freuen wir uns über die Unterstützung der vom Lockdown hart betroffenen Gastronomie durch unsere Kunden.

Mit E-Mails an die Mitglieder unseres Kundenclubs, an andere Kunden, mit Anzeigen in den regionalen Medien und weiteren Maßnahmen werben wir für unsere weiteren Angebote: Einkaufen in unseren – auch jetzt geöffneten – Vinotheken in Dernau und Bad Neuenahr, bei unserem online-shop und mehr. Neu ist zum Beispiel die virtuelle Weinprobe mit unserem Kellermeister über Zoom.

Bei dem LOCKDOWN-Wein handelt es sich um einen halbtrockenen Dagernova Spätburgunder Blanc de Noir, der dank einer gezügelten Kaltvergärung eine enorme Fruchtausbeute vorweisen kann. Ausgewogen im Geschmack und in der Nase ein blumiger, fruchtiger Duft nach Birnen und Quitten versprechen einen Trinkgenuss der Extraklasse.

Der LOCKDOWN-Wein ist im Online-Shop unter www.dagernova.dehttp, sowie in den Vinotheken der Dagernova Ahr Weinmanufaktur in Dernau und Bad Neuenahr erhältlich.

Wein IMPFSTOFF – schon ausverkauft
LOCKDOWN-Wein, ein halbtrockener Dagernova Spätburgunder Blanc de Noir
Noch viel auf Lager: Stefan Stahl, links, Technischer Vorstand, Dominik Hübinger, Vorsitzender des Vorstands
Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Beratungsunternehmens FTI-Andersch, das 52 deutsche Großstädte auf Basis von 19 Einzelfaktoren miteinander verglichen hat.

Analyse von 52 Städten: Welche deutschen Großstädte sich nach der Corona-Krise besser erholen werden – und bei wem sie größere Spuren hinterlässt

Bonn, Darmstadt, Ingolstadt, Ulm – das sind einige der Städte, die trotz des erneuten Lockdowns gute Chancen auf eine raschere Erholung nach einem Ende der Pandemie haben. Denn sie vereinen eine hohe Stabilität gegenüber externen Einflüssen mit einem starken sozio-ökonomischen Umfeld. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Beratungsunternehmens FTI-Andersch, das 52 deutsche Großstädte auf Basis von 19 Einzelfaktoren miteinander verglichen hat.

Weitere Städte, die in der Gruppe derjenigen liegen, die Stabilität gegenüber externen Einflüssen mit starkem Umfeld verbinden: Augsburg, Bamberg, Erlangen, Heilbronn, Karlsruhe, Münster und Saarbrücken.

Das beste Ergebnis unter den Vergleichsstädten konnte Bonn erzielen. Als Wirtschaftsstandort mit einer Vielzahl an Konzernen und mittelständischen Unternehmen verfügt die Stadt über ein starkes Wachstum der Wirtschafts- und Einwohnerzahlen. Die Kaufkraft ist hoch, die Arbeitslosenquote gering und die Lebensqualität sehr gut. Gleichzeitig ist die ehemalige Bundeshauptstadt heute nicht so abhängig von Messen oder Tourismus wie andere Großstädte, was ihre Resilienz in der Corona-Pandemie deutlich erhöht.

Untersuchung von 19 spezifischen Faktoren zur Messung von Stabilität und sozio-ökonomischem Umfeld

Insgesamt haben die Unternehmensberater 19 Faktoren pro Stadt untersucht, die sich auf Stabilität in der Krise und das sozio-ökonomische Umfeld auswirken. Zu Stabilitätsfaktoren wurden Kennzahlen zum Kultur- und Freizeitangebot, Leerstandsquoten von Gewerbeimmobilien, der digitale Reifegrad, die Existenz einer Universität, die Anzahl der Touristen sowie die Anzahl der Messen gerechnet – was sich unmittelbar auf die Besucherfrequenzen in der Zeit von Covid19 ausgewirkt hat. Zum sozio-ökonomischen Umfeld zählen Faktoren wie Wirtschaftsleistung, Einwohnerwachstum, die Relevanz als Einzugsgebiet, Kaufkraft, Arbeitslosenquote und Lebensqualität.

Jeder der 19 Faktoren wurde mit 1 (gering) bis 5 (hoch) bewertet. Diese Bewertungen basieren auf öffentlich zugänglichen oder durch FTI-Andersch erhobenen quantitativen und qualitativen Daten.

Bonn hat in diesem Benchmark hinsichtlich der Stabilität eine 3,0 erhalten, im Bereich der sozio-ökonomischen Faktoren eine 3,6. Die höchste Stabilität weist die ostwestfälische Stadt Paderborn (3,5) auf, die niedrigste Berlin (1,9). Das stärkste sozio-ökonomische Umfeld hat auf Basis der Untersuchung München (4,0), das schwächste Trier (1,7).

Schlussgruppe wird es schwerer haben, nach der Krise wieder durchzustarten

Vor allem die Städte Celle, Erfurt, Hildesheim, Leipzig, Lübeck, Mannheim und Trier werden eher damit rechnen müssen, durch die Pandemie stärkere Schäden zu nehmen, denn sie liegen als Gruppe hinten, wenn man Stabilität und sozio-ökonomisches Umfeld ins Verhältnis setzt.

Natürlich handelt es sich hier um Modellrechnungen, die nicht alle Unwägbarkeiten der nächsten Monate vorwegnehmen können. Es ist jedoch absehbar, dass vor allem die Städte, die stark auf externe Impulse angewiesen sind und gleichzeitig ein eher schwaches wirtschaftliches Umfeld bieten, in den nächsten Monaten deutlich größere Herausforderungen bewältigen müssen. Denn bleiben die Besucher aus, haben lokale Händler, Gastronomen, Freizeit- und Kulturangebote keine Einnahmequellen.

Kommt es 2021 zu den erwarteten Insolvenzen, wird dies das sozio-ökonomische Umfeld und lokale Angebot weiter verschlechtern. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister speziell dieser Städte sollten die jetzige Lage und akuten Herausforderungen nicht unterschätzen, sondern ihnen ins Auge blicken – und ihre Stadtentwicklung auf diese neuen Rahmenbedingungen konsequent ausrichten.

Neue Rahmenbedingungen müssen akzeptiert, Strategie und Maßnahmen dahingehend angepasst werden

FTI-Andersch hat mögliche Maßnahmen entwickelt und nach Themen und Zeitdimensionen strukturiert, die Städte zur Weiterentwicklung in Erwägung ziehen sollten. In Zeiten von Lockdowns und hoher Virus-Inzidenz in der Bevölkerung können natürlich nur wenige operative Entwicklungsthemen umgesetzt werden. Aber für das zweite Halbjahr 2021 prognostizieren heute viele Licht am Ende des Tunnels dieser Pandemie durch erfolgte Impfungen von weiten Teilen der Gesellschaft. Die jetzige Phase sollte dafür genutzt werden, eine Strategie für die Post-Corona-Zeit zu entwickeln.

Noch während der Corona-Zeit, insbesondere nach einem möglichen Ende des Lockdowns im Frühjahr, sollte es vereinfacht werden, Verkaufsflächen nach draußen zu verlegen und Öffnungszeiten im Einzelhandel deutlich zu flexibilisieren. Danach empfiehlt sich eine temporäre Vereinfachung des Vergaberechts für eine schnellere Umsetzung öffentlicher Investitionsfördermaßnahmen sowie die Förderung einer Digital-Infrastruktur für kleine und mittelständische Unternehmen.

Um die innerstädtischen Besucherfrequenzen nach der Pandemie wieder zu erhöhen, können zielgruppengerechte Aktivitäten und neue Veranstaltungsformate initiiert werden, zum Beispiel Ausbildungsmessen, Produktshows oder Familienveranstaltungen. Und viele Städte könnten das Erlebnis des Innenstadtbesuchs weiter verbessern, indem sie Sitzgelegenheiten, öffentliche Steckdosen und WLAN, mehr Toiletten, Pop-Up-Radwege und weitere Verbesserung der Aufenthaltsqualität schaffen. Für leerstehende Immobilien können Zwischenvermietungen als Mini-Logistik-Hubs in Innenstädten in Erwägung gezogen werden.

Jede Stadt hat sehr individuelle Herausforderungen, einige Themen überschneiden sich. Wir empfehlen trotz der schwierigen Situation auch jetzt die Stadtentwicklung langfristig zu denken, aber Maßnahmen dennoch in realistischen Zeitdimensionen und angepasst an eine neue Realität zu planen.

Über Bonn heißt es in der Studie:

Bonn erzielt unter den Hidden Champions das höchste Ergebnis in der Dimension des (sozio-)ökonomischen Umfelds. Dies stellt eine Besonderheit dar, weil der Großteil der Städte mit einem vergleichbaren wirtschaftlichen Umfeld tendenziell volatiler auf Veränderungen reagiert. Zwar leidet Bonn unter einem starken COVID-19-bedingten Rückgang der Besucherfrequenzen, kann diesen Rückgang jedoch durch andere Faktoren ausgleichen. Besondere Stabilitätsfaktoren, die bei Bonn ins Gewicht fallen, sind eine sehr gut ausgebaute Verkehrsanbindung in das Stadtzentrum sowie ein hoher digitaler Reifegrad der Stadt. Langfristig gesehen können diese zwei Faktoren den Grundstein für innovative Zukunftskonzepte im Bereich der Attraktivitätssteigerung, sowie einer stärkeren Kooperation von Handel und Stadt legen.

Dorothée Fritsch, Leiterin der Studie bei FTI-Andersch

www.andersch-ag.de

https://www.rheinpublik.de/downloads/

Ranking: Stabilität gegenüber externen Faktoren und Sozio-ökonomisches Umfeld
Zahl der Einpendler in Bonn auf über 140.000 täglich gestiegen. – IHK schlägt – statt Einzelmaßnahmen – Mix aus Lösungsansätzen vor.

Pendlerregion Bonn/Rhein-Sieg – Herausforderungen und Lösungen

Die Zahl der Einpendler hat in den Kommunen der Region Bonn/Rhein-Sieg seit 2013 um etwa 16,4 Prozent, die der Auspendler um circa 11,4 Prozent zugenommen. Das Verkehrsangebot wurde jedoch nicht in gleichem Maße ausgebaut. Diese Ergebnisse können der aktuellen Studie der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg „Pendlerregion Bonn/Rhein-Sieg“ entnommen werden.

Die Wirtschaftsregion Bonn/Rhein-Sieg ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen, was teils nur durch die gestiegene Mobilität der Erwerbstätigen möglich gewesen ist. Unsere Verkehrsinfrastruktur ist hierdurch zu den Hauptverkehrszeiten überlastet.

Ein Lösungsansatz ist die oftmals kolportierte „Verkehrswende“, diese kann jedoch nicht mit Einzelmaßnahmen umgesetzt werden. Hier ist ein ideologiefreier Lösungsansatz vonnöten. Die IHK schlägt daher einen Mix an Lösungsansätzen vor, welche die Verkehrssituation nachhaltig verbessern können:

Überlastung der Straßenverkehrsinfrastruktur – Kapazitäten (frei-)schaffen

Die Straßeninfrastruktur ist in der Region Bonn/Rhein-Sieg zu den Hauptverkehrszeiten häufig überlastet. Sie wird von dem motorisierten Individualverkehr (MIV), aber auch teilweise vom ÖPNV genutzt, sodass ein Stau in der Stadt auch die Zuverlässigkeit der Bus- und Straßenbahnverbindungen beeinträchtigt.- Dieser gehemmte Verkehrsfluss hat zur Folge, dass sich die täglichen Pendelzeiten der Arbeitnehmer verlängern und zudem noch die Emissionen pro Personenkilometer erhöhen. Der MIV stellt für viele Pendler ein bequemes Verkehrsmittel dar, welches für manche Arbeits- und Wohnsituationen auch alternativlos ist.

Der MIV hat einen Anteil von bundesweit etwa 43 % am Verkehrsaufkommen, unter Zurechnung der MIF-Mitfahrer sogar von 57 %, und stellt somit das beliebteste Verkehrsmittel dar. Demgegenüber ist der Wert in Bonn mit einem Kfz-Anteil von 46 % unterdurchschnittlich.

Vor diesem Hintergrund sollten unterschiedliche regionale Lösungsansätze parallel und auch schnell umgesetzt verfolgt werden:

• Erhalt, Ausbau und Neubau der Straßenverkehrsinfrastruktur

  • Sechs-streifiger Ausbau des „Tausendfüßlers“
  • Zusätzliche Rheinquerung zwischen Bonn und Köln
  • Acht-streifiger Ausbau der A59
  • Ortsumgehung Hennef-Uckerath
  • Südtangente (Diese Position wird von einem Teil der Unternehmen im IHK-Bezirk nicht unterstützt. Diese befürchten zusätzliches Verkehrsaufkommen, Schwerlastverkehr und, dass die erwünschten Entlastungswirkungen ausbleiben)

• Erhöhung der Anzahl der MIV-Mitfahrer durch Mitfahr-Apps

Öffentlicher Personennahverkehr muss in der Region noch stärker für die Wege zum Arbeitsplatz genutzt werden

Je besser der Arbeitsplatz mit dem Bus, der Straßenbahn oder der Bahn erreichbar ist, umso eher werden Pendler vom PKW zum öffentlichen Verkehr wechseln. Die aktuellen Pendlerdaten für die Region Bonn/Rhein-Sieg zeigen, dass zum Beispiel nahe gelegene Bahnstationen eine große Bedeutung bei der Entscheidung für eine Nutzung des öffentlichen Verkehrs haben.

Vor diesem Hintergrund ist eine Stärkung des ÖPNV sinnvoll. Hierzu zählen insbesondere folgende Maßnahmen:

• Bau der S-Bahn-Linie S 13 zwischen Troisdorf und Oberkassel

• Bau der Bonner Westbahn, verlängert bis Alfter-Witterschlick

• Bau der Bonner Seilbahn und Integration in das bestehende ÖPNV-Netz

• Elektrifizierung und durchgängig zweigleisiger Ausbau der Linie S 23

• Stadtbahn Niederkassel zur Anbindung an Bonn und Köln

Zudem sollten stark frequentierte Verbindungen im Takt noch weiter verdichtet werden.

Die durch das „Lead-City“-Programm geschaffenen Angebote sollten dauerhaft implementiert werden, sodass eine gesteigerte Attraktivität und Zuverlässigkeit des ÖPNV Pendler zum Umstieg motiviert.

Mobilstationen ausbauen – Modal Split stärken

Für viele Arbeitnehmer aus dem Umland ist eine direkte Anreise per ÖPNV nicht möglich. Dies liegt häufig an der schlechten Taktdichte, Fahrtdauer oder nicht vorhandenem Angebot. Um diese Personen zu einem teilweisen Umstieg auf den Umweltverbund zu motivieren ist ein entsprechendes Angebot von Umstiegspunkten zu errichten und auszubauen. Hierzu müssen zentral gelegene Haltestellen des öffentlichen Verkehrs und bedeutsame Verkehrsknoten in Bonn/Rhein-Sieg zu Mobilstationen ausgebaut werden. Diese müssen über ausreichend Park & Ride- und Bike & Ride-Anlagen, sowie Mobilitäts-sharing-Angebote verfügen, die einen Umstieg auf andere Mobilitätsformen ermöglichen. Mögliche Ausbaustandorte sind bereits durch eine Studie des NVR identifiziert und analysiert worden. Downloadbar unter: https://www.nvr.de/regionale-mobilitaetsentwicklung/mobilstationen-im-nvr8

Fahrrad stärken – entkoppeltes Radwegenetz und Radpendlerrouten schaffen

Der Anteil des Fahrrades am Pendlerverkehr liegt in Bonn und der Region bei etwa 11%, was dem bundesweiten Durchschnitt entspricht. Es gibt starke Bestrebungen, diesen Anteil zu erhöhen. Gerade im Bereich der Nahmobilität sollen viele Pendler zum Umstieg vom Auto oder ÖPNV bewogen werden, sodass diese Kapazitäten für Pendler aus dem Umland frei werden. Der technische Fortschritt in Hinblick auf die Elektromobilität ermöglicht zusätzlich auch einer breiteren Personenschicht aus dem Umland die Anreise per Pedelec, sodass auch hierdurch Kapazitäten frei werden könnten und dadurch der Verkehrsfluss generell erhöht wird. Hierzu bedarf es jedoch noch zusätzlicher Anreize und Investitionen in die Infrastruktur, um Pendler ganzjährig und dauerhaft zum Umstieg zu bewegen:

• Schaffung eines von den Hauptverkehrsstraßen entkoppelten Radverkehrsnetzes

• Einrichtung von durchgehenden Radpendlerrouten zur Verbindung mit dem Umland

• Bau zusätzlicher Rhein- und Gleisquerungen

Abgestimmtes Homeoffice / mobiles Arbeiten etablieren – Infrastruktur entlasten

Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie haben gezeigt, dass Homeoffice / mobiles Arbeiten in unserer dienstleistungsgeprägten Region für einen großen Anteil der Arbeitnehmerschaft möglich ist. Als Nebeneffekt wurde die Verkehrsinfrastruktur entlastet, der Verkehrsfluss verbesserte sich.

Unternehmen, Behörden, Ministerien und weitere Arbeitgeber in Bonn/Rhein-Sieg sollten daher nach Möglichkeit für jeden geeigneten Arbeitsplatz Tage für Homeoffice / mobiles Arbeiten ermöglichen und die Verteilung steuern, sodass während der Arbeitswoche täglich ein immer gleichbleibender Anteil der Arbeitnehmer von zu Hause aus arbeitet. Diese Maßnahme sollte im Dialog vereinbart werden.

Betriebliches Mobilitätsmanagement –Vielfalt nutzen

Mobilitätsmanagement gewinnt derzeit sowohl auf kommunaler als auch auf betrieblicher Ebene an Bedeutung. Es zielt auf die Unternehmens- und Betriebsebene ab und umfasst dort alle Maßnahmen zur Mitarbeitermobilität, sowie das Flotten- und das Dienstreisemanagement.

Im Oktober 2019 wurde hierzu das geförderte Projekt „JOBWÄRTS“ initiiert, welches Angebote für Arbeitnehmer schaffen soll, damit diese ihr Mobilitäts-verhalten überdenken und auf andere Verkehrsarten umsteigen.9Pendlerbewegungen spiegeln

Unternehmensansiedlungen erhöhen Attraktivität lokaler Arbeitsmärkte

Mit der Ansiedlung von Unternehmen kann es gelingen, dass wieder mehr Arbeitnehmer am Wohnort arbeiten und zu Binnenpendlern werden. Gleichzeitig könnten dadurch aber auch mehr Arbeitnehmer einpendeln. Hierzu ist eine in der Region abgestimmte interkommunale Entwicklung, wie etwa beispielsweise in Alfter und Bornheim, notwendig, ein mögliches Strukturleitbild ist durch das Agglomerationskonzept bereits vorhanden. Einzelne Aspekte aus dem Agglomerationskonzept werden im Rahmen des Agglomerationsprogramms weiterentwickelt. Näheres Hierzu ist unter https://www.agglomerationskonzept.de/

Pendeln durch neuen Wohnraum begegnen

Pendeln verursacht neben den genannten positiven Auswirkungen auch Belastungen. Zum einen sind die Pendler durch den Zeitaufwand und den Stress betroffen. Zum anderen wird die Verkehrsinfrastruktur auf dem Weg zur Arbeit stark in Anspruch genommen – tägliche Staus sind eine Folge davon. Dem kann durch Schaffung von neuem Wohnraum teilweise begegnet werden – frei nach dem Leitbild der „räumlichen Nähe von Wohnen und Arbeiten“, was auch der Bonner „Rahmenplan Bundesviertel“ vorsieht.

Die wichtigsten Ergebnisse:

Drei von fünf Erwerbstätigen (59,8 Prozent) im IHK-Bezirk pendeln zu ihrem Arbeitsplatz.

Mit der höchsten Binnenpendlerquote von 64,5 Prozent verzeichnet Bonn die meisten Erwerbstätigen (107.758), die an ihrem Wohnort arbeiten.

Die meisten Pendler (64.598) aus dem Rhein-Sieg-Kreis fahren für ihre Arbeit nach Bonn – Die Bonner Tagesbevölkerung wächst durch die gesamten Einpendler (141.436) auf 409.719.

https://www.ihk-bonn.de/fileadmin/dokumente/Downloads/Presse/Studie_Pendlerregion_Bonn-Rhein-Sieg.pdf

Zu wünschen ist, dass die digitale Infrastruktur nachhaltig ausgebaut wird. Keineswegs darf die Lehre rein digital bleiben.

Die aktuelle Krise reißt wie in das gesamte öffentliche Leben einen heftigen Einschnitt in das
studentische Leben. Zu betrachten sind aber beide Seiten der Medaille: auf der anderen Seite
steht die Krise als Phase der Veränderung – voller Chancen.

Seit den ersten Beschränkungen im März 2020 hat die Corona-Krise den Betrieb an der
Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität wie an anderen Hochschulen und Universitäten fest
im Griff. Fast alle Vorlesungen und sonstigen Veranstaltungen finden online statt, Lizenzen für
digitale Bibliotheken sind häufig beschränkt und Praktika fallen aus.

Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung verloren alleine von März bis April in Deutschland 750.000 Studentinnen und Studenten ihre Jobs und damit statistisch gesehen eine Einnahmequelle von hoher Bedeutung.

Besonders schmerzlich wird wie in vielen anderen Lebensbereichen deutlich, dass auch das Studium vom persönlichen Kontakt, Diskussionen und Spontanität lebt. Positiv ist hervorzuheben, dass überhaupt digital gearbeitet wird. Soweit möglich, ist das Arbeiten im „Homeoffice“ auch im Rest der Gesellschaft neu etabliert, jedenfalls vorübergehend Normalzustand geworden. Das Studieren von zuhause bringt Dynamik in viele angerissene, aber an der Universität längst nicht abgeschlossene Prozesse.

Zu wünschen ist, dass die digitale Infrastruktur nachhaltig ausgebaut wird. Keineswegs darf die Lehre rein digital bleiben: der persönliche Austausch vor Ort, die Teilnahme an studentischen Aktivitäten und für viele junge Studentinnen und Studenten die Übergangsphase in ein selbstbestimmtes Leben sind ein wichtiger Bestandteil eines Studiums als Lebensabschnitt. Aber der Digitalisierungsschub war längst überfällig und ist erforderlich, um Studentinnen und Studenten auf das ortsverteilte Arbeiten des 21. Jahrhunderts und die digitale Kommunikation in Unternehmen vorzubereiten.

Um in die Zukunft nach Corona zu gehen, sind fundierte Auswertungen der durch Corona bedingten Veränderungen erforderlich. Wie hat sich das Studium verändert und welche Auswirkungen haben diese Veränderungen auf die Studentinnen und Studenten? Vielleicht gibt es in der Zukunft Lehrveranstaltungen, für deren Durchführung eine Präsenz nicht immer erforderlich ist. Hybride Lösungen können auch in Zukunft Chancen bieten: ein Studium mit Kind wird ermöglicht, andere Barrieren werden abgebaut. Auch für alle anderen, die auf eine hohe Flexibilität angewiesen sind, bieten aktuelle Anpassungen eine Chance. Das Studium kann individueller und anpassungsfähiger werden als je zuvor. Studiengänge könnten in Teilen standortunabhängig durchgeführt werden, die internationale Vernetzung so gestärkt werden.

In einem unter hohem Druck stehenden Europa wäre das ein Interrail ohne Schienen. Corona gibt uns eine Gelegenheit, Bestehendes zu evaluieren und innovative Lösungen zu entwickeln. Oder mit J. F. Kennedy: „Das Wort Krise setzt sich im Chinesischen aus zwei Schriftzeichen zusammen: das eine bedeutet Gefahr und das andere Gelegenheit. In einer Krise sei dir der Gefahr bewusst, aber erkenne die Gelegenheit.“

Die IHK bewertet die derzeitige Bautätigkeit im Wohnsegment als unzureichend und fordert eine zeitnahe Ausweitung, damit Fachkräfte arbeitsortnah wohnen können.

Der Immobilienstandort Bonn/Rhein-Sieg steht – nicht nur durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie – vor neuen Herausforderungen. Die Region musste sich bereits nach dem Umzug von Bundesregierung und Bundestag neu erfinden. Jetzt müssen wir angesichts der knappen Flächen und dem Wettbewerb zwischen Gewerbe-, Büro- und Wohnflächen Lösungen suchen und stärker in regionalen Dimensionen denken. Die IHK bewertet die derzeitige Bautätigkeit im Wohnsegment als unzureichend und fordert eine möglichst zeitnahe Ausweitung, damit Fachkräfte arbeitsortnah wohnen können. Aufgrund der Flächenknappheit kann eine Lösung hierfür nur interkommunal gefunden werden, sodass die bestehenden Ansätze zu intensivieren sind.

Gemeinsam mit IHK-Geschäftsführer Professor Dr. Stephan Wimmers haben wir am 22. Dezember 2020 die aktuelle IHK-Broschüre „Immobilienstandort Bonn/Rhein-Sieg“ vorgestellt. Sie gibt einen Überblick über die Branche in der Region, stellt die Bedeutung der Immobilienwirtschaft für die Gesamtwirtschaft dar und befasst sich mit den aktuellen Herausforderungen und Perspektiven der Branche in Bezug auf Wohn- und Gewerbeimmobilien, öffentliche Immobilien sowie die Rahmenbedingungen. Wimmers: „Seien es Büro- oder Geschäftsräume, Lager- und Produktionshallen oder der Wohnraum für Fachkräfte – ohne die Immobilienwirtschaft geht es an Rhein und Sieg nicht. Diese Branche kann jedoch nicht auf die Errichtung von neuen Gebäuden reduziert werden. Hinzu kommen Arbeitsplätze und Unternehmen in den Bereichen Kauf und Verkauf, Finanzierung, Vermittlung und Verwaltung oder Hausmeister- und Reinigungsdienste.“ Der Immobilienbranche im IHK-Bezirk Bonn/Rhein-Sieg gehören rund 5.300 Unternehmen an mit einem Umsatz von circa 5,3 Milliarden Euro im Jahr 2018 – fünf  Prozent des Gesamtumsatzes im IHK-Bezirk.

Die IHK fordert eine grundsätzliche Beschleunigung der Bauleitplan- und Genehmigungsverfahren in der Verwaltung, so dass Projekte schneller verwirklicht werden können. Neben einer Vermarktung der leerstehenden öffentlichen Immobilien, insbesondere in Bonn, sollten die Kommunen den Umgang mit den eigengenutzten Immobilien überdenken und den Sanierungsstau auflösen. Ferner spricht sich die IHK für weniger Restriktionen für private Investoren aus, um den Immobilienstandort Bonn/Rhein-Sieg attraktiver zu machen – gerade bei aufstrebenden Quartieren wie dem Bundesviertel Bonn oder dem Bonner Bogen.

https://www.ihk-bonn.de/fileadmin/dokumente/Downloads/Presse/IHK_ISBRS_Bonn_2020_Ansicht.pdf

Die Spiegel-Redakteure entfalten ein lebendiges Panorama, wie in unserem politischen System das neue Großthema behandelt wird.

Ein empfehlenswertes typisches SPIEGEL-Buch, beruhend auf Spiegel-Artikeln von Januar bis August und ergänzenden Recherchen. Herausgegeben von Hickmann, Knobbe und Medick und geschrieben von vielen namentlich erwähnten Spiegel-Redakteuren. Es ist eine Chronologie, die alle wesentlichen Aspekte behandelt, aber an vielen Stellen auch tieferschürft.

Das Buch beginnt mit den ersten Meldungen der WHO und aus China. Ausführlich wird die Rückholaktion vieler Deutscher aus dem Ausland dargestellt. Viele Grenzen werden für Touristen geschlossen. Die ersten Hotspots in Ischgl und Heinsberg werden lebendig geschildert, später die Fa. Tönnies. Immer wieder werden konkret die Abläufe in den Krisenstäben geschildert, zum Beispiel am 3. März über die Lücken an Material.

Am 12. März kommen die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten zusammen, hören zunächst die Experten Wieler, Kroemer und Drosten und fassen dann den ersten Lockdown-Beschluss. Am 18. März hält Merkel eine Fernsehansprache mit den Kernsätzen: “Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst.“

Das Buch hat seine eigene Rhythmik, die man aus dem “ Spiegel“ kennt. Ort und Zeitpunkt sowie die wichtigen anwesenden Personen werden genau benannt und ihre Interaktionen. Der rote Faden ist die Chronologie, wobei jeweils konkrete Themen vertieft werden.

Personen werden in ihrem Charakter deutlich geschildert: wie sich Söder nach vorn spielt, Laschet im öffentlichen Ansehen zurückbleibt, Merkel Statur gewinnt, die CDU stark profitiert.

Die Spiegel-Redakteure entfalten ein lebendiges Panorama, wie in unserem politischen System das neue Großthema behandelt wird in folgenden Spannungsfeldern: Parlamente-Exekutive, Bund-Länder, Rolle der Sachverständigen, Abwägen zwischen Gesundheit und finanziellen Schäden, das Aufkommen von Verschwörungstheorien.

Die letzte Notiz beschreibt Spahn am 21. August im Bundesgesundheitsministerium. Er sagt: „Das Virus, das bleibt.“

Im Epilog des Buches werden einige der Großthemen gestreift: die Maßnahmen des Staates, das europäische Hilfsprogramm, der digitale Schub aus der Krise und einiges andere.

Dass die zweite Welle viel grösser wird, kann das Buch natürlich nicht voraussehen. Über die erste Welle bietet das Buch eine sehr informative Chronologie mit tieferen Analysen – eine lohnende Lektüre.

Roter Faden bei Hans-Werner Sinn ist die Kritik an einer oft moralisierenden Symbolpolitik und der Appell, Maßnahmen stärker an faktenbasierten Analysen auszurichten.

Hans-Werner Sinn hat die Gabe, komplizierte wirtschaftliche Fragen so klar und einleuchtend zu erklären, dass auch ein Laie Zugang zu Problemen und deren Lösungsmöglichkeiten findet. Und die Corona-Krise wirft viele neue Fragen auf, zum Beispiel die ausgewogene Beschränkung der Grundrechte im Lockdown oder die angemessene Solidarität mit den europäischen Nachbarn, und verschärft altbekannte Schwachstellen der deutschen Wirtschaftspolitik wie die inkonsequente Geld- und Währungspolitik, die Fiskalpolitik, die Energiewende und die Außenhandelspolitik.

Wie ein Interview ist das Buch aufgebaut, jedes der 34 Kapitel beginnt mit einer Frage, die der Autor dann jeweils auf einigen wenigen Seiten beantwortet. Und das Buch ist auch tatsächlich, so schreibt der Autor, aus einem Gespräch mit dem Verlagslektor entstanden, wenn auch die Fragen und Antworten später stark verändert und umgestellt worden sind.

Dadurch erweist sich das Buch trotz der komplexen Thematik als gut lesbare Lektüre, die man je nach Gusto in täglicher Dosierung oder selektiv nach Themenschwerpunkten leicht konsumieren kann. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass man das Buch, wenn man erst einmal angefangen hat, am liebsten nicht mehr aus der Hand legen will. Nicht umsonst taucht das Buch in der Spiegel-Bestseller-Liste auf.

Wer zeitnah zu aktuellen Themen schreibt, läuft natürlich Gefahr, dass die fortschreitenden Ereignisse einen überholen. So ist die Hoffnung, dass ein zweiter Lockdown vermieden werden könnte, inzwischen durch die reale Entwicklung gegenstandslos geworden. Aber das tut dem Buch keinen Abbruch.

Der rote Faden bei Hans-Werner Sinn ist die Kritik an einer oft moralisierenden Symbolpolitik und der Appell an die Akteure, Maßnahmen wieder stärker an faktenbasierten Analysen auszurichten. „Die Welt kann man nur zum Besseren verändern, wenn man sie sieht, wie sie ist.“ So legt er eindrucksvoll dar, dass es keineswegs ausgeschlossen, ja sogar wahrscheinlich ist, dass der einseitige Ausstieg der Bundesrepublik aus der Dieseltechnologie schlussendlich über Preis- und Mengeneffekte zu einer verstärkten Umweltbelastung weltweit führen könnte.

Ebenso klar, wenn auch nicht neu, ist sein Hinweis, dass die deutsche Fiskal- und Währungspolitik die notwendigen Strukturreformen in einigen südlichen Nachbarländern verhindert, was langfristig auf Kosten des Wohlstandes in Deutschland geht und den anderen Ländern nicht hilft. Durch Corona gewinnt die Fahrt in die falsche Richtung aber zusätzlich an Geschwindigkeit und Dynamik.

Interessant auch der Hinweis, dass der Einbruch der Wirtschaftsleistung in Deutschland auf vier bis sieben Prozent einer Jahreswirtschaftsleistung prognostiziert wird, während gleichzeitig zur Problembewältigung rund 44 Prozent des Sozialproduktes des Jahres 2020 durch den Staat aktiviert wird. Ganz unwillkürlich denkt man daran, dass der größte Schaden bei einem Hausbrand nicht durch das Feuer selbst, sondern oft erst über das viel zu reichlich eingesetzte Löschwasser entsteht.

Evidenzbasierte Medizin ist heute Grundlage für die Leitlinien zur Behandlung kranker Menschen. So ist der Vorschlag eine Kernforderung für das Umdenken in der Politik.

„Neustaat“ fordert Evidenzbasierte Entscheidungskultur – Buchbesprechung

Evidenzbasierte Medizin ist heute die Grundlage, an der sich die Leitlinien zur Behandlung kranker Menschen orientieren. Sie stützt sich auf wissenschaftliche Studien, deren Aussagefähigkeit in Evidenzgraden eingeteilt wird. Dadurch wird in den meisten Fällen die Behandlung der Patienten auf eine empirische Basis, auf praktische Erfahrungen, gestellt.

So ist der Vorschlag in „Neustaat“ nach einer evidenzbasierten Entscheidungskultur weit über die Medizin hinaus eine Kernforderung für das Umdenken in der Politik. Dieser wie weitere Vorschläge werden von Thomas Heilmann und Nadine Schön in ihrem Buch „Neustaat“  mit 64 Abgeordneten und Experten in 103 Vorschlägen niedergelegt.

War es Anfang des 21. Jahrhunderts die Agenda 2010 der Regierung Schröder, die dem „kranken Mann Europas“, wie Deutschland damals in Europa genannt wurde, zur Heilung verhalf, so ist dieses Plädoyer über die damaligen Reformen hinausgehend. Die Autoren selbst ordnen ihre Reformvorschläge in den Kontext bedeutender Reformen im deutschen Sprachraum ein, wie sie in Preußen 1808-1819 als Stein-Hardenbergs Reformen in die Geschichte eingegangen sind oder wie die grundlegende Entscheidung zum Aufbau der Bundesrepublik Deutschland mit der sozialen Marktwirtschaft.

Ihren Ausführungen stellen Sie eine Analyse mit dem Titel „die Komplexitätsfalle“ voran. Entscheidungsabläufe in unserem Staat seien zu langsam geworden. Das Tempo jedoch liege nicht, wie sie ausdrücklich betonen, an den Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst, sondern primär an den Entscheidungsstrukturen in unserem Land. Deshalb sehen sie im öffentlichen Bereich eine initiale Notwendigkeit für Veränderungen.

Dass der Berliner Flughafen, sowie Stuttgart 21 als Musterbeispiele insuffizienter Staatsplanung angeführt werden, ist selbstverständlich. Doch kleinere Projekte, wie zum Beispiel die Erweiterung des Hauptzollamtes in Itzehoe, bei dem der Bedarf im Dezember 2014 festgestellt wurde und der Abschluss der Baumaßnahme für Januar 2025 avisiert wird, machen deutlich, dass Reformen in unserem Land nicht nur bezogen auf Großprojekte notwendig sind, sondern auf verschiedenen Ebenen zwingend vorgenommen werden müssen. Die Autoren fordern generell evidenzbasierte Entscheidungsstrukturen in unserem Land, worunter sie Entscheidungsprozesse verstehen, die sich primär an konsequenter, detaillierter und systematischer Auswertung entsprechender Daten orientieren und nicht an Bekenntnissen. Daraus entwickeln sie das neue Leitbild vom  „lernenden Staat“.

Die Schicksalsfragen für unser Gemeinwesen werden an fünf Megatrends Digitalisierung, neue internationale Konkurrenz, Klimawandel, Pandemievorsorge, Wandel der Gesellschaft aufgezeigt und Lösungsansätze vermittelt.

Im weiteren werden unter anderem folgende Themen aufgegriffen: „Neuer Wohlstand durch neue Gründerzeiten“ soll den Boden für eine gesunde Entwicklung neuer Startups legen. Die Rente soll neu strukturiert werden unter Einbeziehung eines Kapitalstockes. Den Daten wird außergewöhnliche Bedeutung beigemessen in dem Sinne, dass der Bürger selbst entscheidet, was bei wem gespeichert werden darf.

In der Rubrik „Lernender Staat“ plädieren die Autoren für einen Staatswandel, der nicht ohne Kulturwandel einhergehen darf. Einen Lösungsansatz für die „grüne Null“, die Klima-neutrale Volkswirtschaft, sehen sie in einer Marktlösung, die durch Zertifikatshandel erreicht werden kann.

Erfrischend sind diverse Anregungen für den politischen Alltag. Zur Vertiefung werden dem Leser zahlreiche Links geboten, mit denen er für die einzelnen Vorschläge zusätzliche Informationen einholen kann. Es trägt zur Glaubwürdigkeit bei, dass viele Autoren Mitglieder der Regierungsfraktionen der CDU/CSU sind, die schon 15 Jahre lang die Regierungsarbeit mitgestaltet haben und dennoch die Kraft finden, über die Legislaturperiode hinauszuschauen und Entwicklungsvorschläge für unser Staatswesen vorlegen. Die Vorschläge sind dennoch Parteiübergreifend zu verstehen und dienen der Weiterentwicklung unseres Gemeinwesens.

Bleibt zu hoffen, dass mehr Evidenzbasierte Politik Schule macht und eine positive Wirkung zeigt, wie evidenzbasiertes medizinisches Handeln und somit zur Genesung unseres Staatswesens beiträgt. Insofern ist das Buch wohltuende Medizin für jeden, der in unserem Staat Verantwortung für Entscheidungen trägt.

Neustaat  von Thomas Heilmann, Nadine Schön;  2020, Finanzbuch Verlag, München